Rezension

Unglaublich weise und unglaublich wahr

Das also ist mein Leben
von Stephen Chbosky

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt: Charlie erlebt sein erstes Jahr an der Highschool und hat die Probleme, mit die sich jeder in diesem Alter herumschlägt: Mädchen, Schule, Selbstfindung. Deswegen berichtet er einem unbekannten „Freund“ in Briefen von seinem Leben. Dabei wird deutlich, dass Charlie eine besondere Sicht auf die Welt hat: Er beobachtet, hinterfragt und versucht zu begreifen. Somit lernt man Charlie kennen und durchlebt mit ihm das erste Highschool-Jahr und erfährt viele Geheimnisse…

 

Der Story-Stapel

*** Erster Satz: „Lieber Freund, ich schreibe Dir, weil sie meinte, dass Du zuhörst und verstehst und nicht versucht hast, auf dieser Party mit einer bestimmten Person zu schlafen, obwohl Du das gekonnt hättest.“

Das gesamte Buch ist in Briefform geschrieben, aber Charlie schreibt so bildlich und vor allem ausführlich an seinen imaginären Freund, dass es weder langweilig noch einseitig wirkt. Wir dürfen Charlie in der Geschichte bei seinem ersten Highschool-Jahr begleiten und erleben sein Leben, dass in geballter Form auf ihn eintrifft. Dabei gibt es Höhen und Tiefen und Charlie berichtet über teils schockierende Ereignisse so nüchtern, dass es Gänsehaut verursacht und auf jeden Fall berührt.

„Das also ist mein Leben. Und ich will, dass du weißt, ich bin glücklich und traurig zugleich und versuche noch immer herauszufinden, wie das eigentlich sein kann.“ (Seite 9)

 

Der Charakter-Stapel

Charlie ist besonders, so besonders, dass dieses ganze Buch dadurch zu etwas besonderem wird. Ich denke auch, dass man Charlie nicht mit jemanden vergleichen kann, dass sich aber viele Jugendliche in irgendeinem Teil von ihm wiederfinden werden. Charlie symbolisiert sozusagen das „Mauerblümchen“ und hebt es sozusagen auf ein Podest.

„Denn manchmal vergessen wir das wohl einfach. Und dabei ist doch jeder auf seine Art etwas Besonderes. Das glaube ich wirklich.“ (Seite 241)

Charlie ist unglaublich klug und weise und wirkt auf eine Art sehr reif und auf der anderen wieder unglaublich naiv bzw. kindlich. Das kann man auch an seinen Briefen herauslesen, einige Dinge, die echt anspruchsvoll sind, beschreibt er so nüchtern-gelangweilt und andere Dinge bekommen wiederum kindlichen Charakter. In meinen Augen spiegelt genau diese Zweiseitigkeit auch die Jugend wider, die sich ja irgendwie finden muss – die Kindheit abstreift und ins Leben der Erwachsenen eintaucht – das ist dem Autor sehr authentisch gelungen.

„Dieser Junge mit den krummen Zähnen namens Leonard nannte mich nach Bills Stunde draußen „Strebersau“, aber das machte mir nichts aus, weil er nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht.“ (Seite 259)

Am Anfang muss man sich an seine Art zu erzählen gewöhnen, da er teilweise sehr abgehackte Sätze verwendet und es eben so beschreibt, wie ein Schüler es beschreiben würde. Nur, dass er zusätzlich ein scharfer Beobachter ist und hinter die Fassaden blickt und ja, er nennt alles beim Namen – er verschönert nichts, er schwächt nichts ab. Neben den abgehackten Sätzen gibt es aber auch sehr lange, verschachtelte Sätze, über die man als Leser etwas stolpert.

Besonders bemerkenswert ist außerdem, dass er von seinem Lehrer echte Klassiker zu lesen bekommt und er diese liest wie einen Groschenroman, also ohne Probleme beim Verständnis und schon mit eigenen Gedanken dazu. Natürlich könnte man auch behaupten, dass das eher unrealistisch ist, aber Charlie als Charakter ist ja in gewisser Weise hochbegabt und dementsprechend empfand ich dies als passend, um diesen Teil seiner Persönlichkeit darzustellen.

„Ich habe übrigens „Der ewige Quell“ fertig gelesen, und es war eine wirklich tolle Erfahrung. Es ist seltsam, Lesen als „tolle Erfahrung“ zu bezeichnen, aber irgendwie hat es sich so angefühlt. Es war anders als die anderen Bücher, weil es nicht darum ging, jung zu sein. Und es war auch nicht wie „Der Fremde“ oder „Naked Lunch“, obwohl ich schon fand, dass es philosophisch war – aber nicht so, dass man erst danach suchen musste. Ich fand, es war ziemlich direkt, und ich habe das, worüber die Autorin schrieb, auf mein eigenes Leben übertragen. Vielleicht heißt das ja, ein Sieb zu sein – ich weiß es nicht.“ (Seite 224)

 

Der Stil-Stapel

Besonders, unglaublich und sehr philosophisch – hier gibt es nicht einfach nur ein Jugendbuch zu lesen, sondern ein Buch, dass durch die Erzählform alles beim Namen nennt, dabei wird nichts ausgelassen. Es werden viele Themen angesprochen, die eher in die Tabuszene gehören wie Homosexualität, Drogen und Gewalt in der Familie. Dabei wird aber nichts verschönert, sondern es wird versucht, zu erklären bzw. es so aufzubereiten, dass es auch junge Leser verstehen.

„Wir nehmen die Liebe an, von der wir glauben, dass wir sie verdienen, Charlie.“ (Seite 38)

Außerdem steckt in dem gesamten Erzählstil des Buches unglaublich viel Weisheit und Wissen. Damit macht es irgendwie Hoffnung und hilft beim Verstehen und ja, auch irgendwie beim Leben.

„[…] und das hat mich gefreut. Sie war nicht verbittert. Sie war traurig. Aber auf eine hoffnungsvolle Art – die Art, die einfach etwas Zeit braucht.“ (Seite 261)

 

Der Kritik-Stapel

Perfekt – dieses Buch ist anders, besonders und einfach wahr! Hier hat der Autor ein Meisterwerk geschaffen, dass mit seiner Erzählform besticht und einen Protagonisten geschaffen hat, der so Vielschichtig ist, dass jeder sich in ihm finden kann. Es ist ein Buch, dass man gewiss nicht 2 oder 3 Mal lesen wird, aber man wird viele Sätze und Aussagen markieren und diese immer wieder durchlesen und diese immer wieder anders wirken lassen. Es ist in meinen Augen nicht die ganz seichte Jugendunterhaltung, sondern stellt einen gewissen Anspruch an den Leser. Auch der Spannungsbogen ist durch die Erzählform und gesamte Handlung nicht so hoch angesetzt, dass man es in einem Rutsch durchlesen möchte, sondern es hat eine gewisse Ruhe und Langsamkeit in der Erzählung.

„Und so denke ich, dass wir aus ganz vielen Gründen sind, wer wir sind. Und vielleicht werden wir die meisten davon nie erfahren. Aber auch, wenn wir uns nicht aussuchen können, woher wir kommen, können wir doch immer noch wählen, wohin wir gehen. Wir können immer noch unsere Entscheidungen treffen. Und versuchen, glücklich mit ihnen zu sein.“ (Seite 279)

 

Auf den Lesen-Stapel?

Ja, dieses Buch gehört gelesen – es ist unglaublich! Es konnte mich berühren und ganz viele Emotionen und Gedanken in mir wecken. Ein sehr weises Buch, das durch seinen Erzählstil und den Protagonisten besticht! Wer das Besondere sucht, kann hier beruhigt zugreifen. Absolut lesenswert und deswegen gibt es zu Recht 5 Sterne und landet auf dem Favoritenstapel – klare Leseempfehlung!