Rezension

Unnötige und weniger gelungene Fortsetzung der genialen Millenium-Trilogie

Verschwörung
von David Lagercrantz Stieg Larsson

Bewertet mit 3 Sternen

Professor Frans Balder kehrt aus Silicon Valley nach Schweden zurück, um sich um seinen autistischen Sohn zu kümmern. Er beschäftigt sich mit künstlichen Intelligenzen und hat offenbar einen Durchbruch erreicht, einen Durchbruch, an dem auch andere interessiert sind. Die NSA hat Anhaltspunkte, dass sein Leben gefährdet ist und nimmt Kontakt mit dem schwedischen Geheimdienst auf. Auch Mikael Blomqvist, dessen Stern in letzter Zeit gesunken ist, wird auf Balder aufmerksam gemacht – eine aufsehenerregende Story täte ihm und Millenium gut, tatsächlich beißt er aber erst an, als er erfährt, dass Lisbeth Salander Kontakt zu Frans Balder hatte.

Eigentlich war Stieg Larssons Geschichte für mich abgeschlossen, den letzten Band habe ich erst vor kurzem gelesen, als ich schon wusste, dass es doch weiter gehen wird, notwendig erschien es mir nicht, neugierig war ich aber schon. Im Grunde ließ für mich die Millenium-Trilogie keine Fragen offen, außer einigen nebensächlichen, z. B. ob Mikaels Beziehung zu Monica Figuerola Bestand haben würde – aber diese Frage wird nicht beantwortet, Monica überhaupt nicht erwähnt. Trotzdem geht David Lagercrantz auf eine andere offene Frage ein, eine Frage, die mich bis dato nur sehr marginal interessiert hat. Welche das ist, werde ich hier nicht offenlegen, denn ich möchte nicht spoilern, meiner Meinung nach wird sehr schnell offensichtlich, worum es geht, aber nicht abschließend beantwortet, es sind wohl noch weitere Fortsetzungen geplant. Mich hat dabei vor allem eines interessiert: Wie hätte Stieg Larsson das bearbeitet?

Einem Vergleich mit Stieg Larsson kann David Lagercrantz im Übrigen nicht standhalten. Alles, was mir bei Larsson so gut gefiel, die Komplexität seiner Geschichte, die sehr tiefgehende Charakterisierung seiner Figuren, mit denen man Mitfühlen kann, wie es selten in Romanen passiert, seine Gesellschaftskritik, seine, auch für den Laien verständlich gemachten theoretischen Erläuterungen, fehlt hier. David Lagercrantzs erzählt oberflächlicher, die theoretischen Passagen laden eher zum Überfliegen ein, die bekannten Charaktere kamen mir „nicht ganz richtig“ vor, Gesellschaftskritik sucht man vergebens. Immerhin erhalten die Charaktere Hintergrundgeschichten, doch so tiefgehend wie bei Larsson sind sie nicht und vor allem packen sie mich nicht so. Mikael erscheint mir wie ein Schatten seiner selbst, Lisbeth, mit der ich immer am meisten mitfühlen konnte, ist noch am ehesten sie selbst, das Mitfühlen klappt aber nicht mehr wirklich. Schön ist immerhin, dass viele Charaktere aus den Vorgängern wieder auftauchen oder wenigstens erwähnt werden, z. B. Plague, Harriet Vanger, Holger Palmgren oder Jan Bublanski.

In den theoretischen Passagen lässt sich der Autor vor allem über Physikalisches/Mathematisches aus: Quantencomputer, künstliche Intelligenzen, Primzahlenberechnungen. Fand ich in „Verdammnis“ Lisbeths Gedanken über Fermats Satz noch nachvollziehbar und interessant, habe ich hier Vieles überflogen. Einzig die Ausführungen zum Autismus sind interessant und regen zum Selbstrecherchieren an.

Dass der Roman auch nur entfernt an Stieg Larssons Werke herankommt, habe ich zwar gehofft, aber nicht wirklich erwartet, so hält sich meine Enttäuschung in Grenzen. Beim Lesen erinnert man sich an Vieles, das ist ganz nett. Die Auflösung finde ich nicht so gelungen, schon sehr früh dachte ich, dass hoffentlich nicht diese eine Person der „Oberböse“ sei, leider umsonst, und leider ist diese Person extrem überzeichnet. Dass das Ende dann auch noch nach einer Fortsetzung schreit, halte ich für zu viel des Guten, einen mehr in sich abgeschlossener Roman hätte ich besser gefunden, offenbar war da jemand sehr überzeugt davon, dass die Leser den Roman mögen. Ich jedenfalls mochte ihn nicht so richtig und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich weitere Romane der Reihe lesen werde. Für mich ist dieser Band unnötig gewesen und ist es auch nach der Lektüre leider immer noch.

Erzählt wird aus Sicht verschiedener Charaktere mit häufigen Perspektivewechseln. Spannung kommt trotzdem nur gelegentlich auf, in der zweiten Hälfte öfter, es gibt wenige Überraschungen, Vieles kann man schon ahnen, das Ende ist eher unbefriedigend.

David Lagercrantz ist meiner Meinung nach in Fußstapfen getreten, die zu groß für ihn sind. Ich empfehle Stieg-Larsson-Fans, sich eine eigene Meinung zu bilden, aber mit nicht allzu hohen Erwartungen an den Roman heranzugehen.