Rezension

Unruhestand

Ein kalter Ort zum Sterben - Ian Rankin

Ein kalter Ort zum Sterben
von Ian Rankin

Bewertet mit 4 Sternen

Bei einem romantischen Dinner im Caledonian Hotel erinnert sich Rebus an einen Mord, der fast vierzig Jahre zuvor dort stattgefunden hat: Eine junge lebenslustige Bankiersgattin wollte in dem Luxushotel einen Liebhaber empfangen – am nächsten Morgen wurde sie tot aufgefunden. Die Verdächtigen kamen aus den besten Kreisen, der Täter wurde nie gefasst. Ein Skandal, der Rebus nicht loslässt. Während er sich in den alten Akten vergräbt, gerät das kriminelle Machtgefüge in Edinburgh gefährlich ins Wanken: Darryl Christie, einer der Hauptakteure, wird überfallen und halb totgeschlagen; eine Ermittlung wegen Geldwäsche bringt ihn zusätzlich in Bedrängnis. Es sieht so aus, als würde Ex-Gangsterboss Big "Ger" Cafferty im Hintergrund die Fäden ziehen. Eine Entwicklung, die Rebus gar nicht recht sein kann. Zumal die erste Leiche im tödlichen Revierkampf von Schottlands Unterwelt nicht lange auf sich warten lässt.

Rebus in Pension heißt nicht: Rebus im RUHEstand. Wundert sich jemand, Kollegen, Chefs, Leser, dass er in / über einen alten Fall stolpert, der ihm plötzlich keine RUHE lässt?
Obwohl er nicht mehr der Alte ist – er darf wegen einer Lungenerkrankung, die sich möglicherweise als Krebs entpuppt, nicht mehr rauchen, er trinkt so gut wie gar nichts mehr, lebt also ohne die whiskeybedingten Abstürze, hat eine feste Beziehung, und obendrein nimmt er ab -, hat er sich im Grunde nicht geändert. Er geht zum Missfallen der oberen Etage nach wie vor in seinem alten Kommissariat ein und aus, tritt abwechselnd Freund und Feind auf die Füße und erschwindelt sich Aussagen von Verdächtigen und Zeugen. Fragt ihn jemand nach seinem Ausweis, zückt er Visitenkarten, die er einem ehemaligen Kollegen geklaut hat.
Mit von der Partie sind natürlich Siobhan Clarke, seine vertraute Kollegin, die ihn besser kennt als irgendein anderer, und Malcolm Fox, dem Rankin eigentlich eine eigene Krimireihe widmen wollte, bis er ihn nach zwei Solo-Bänden gemeinsam mit Rebus in eine Serie packte (der 3. Band der Fox-Reihe ist gleichzeitig der 19. der Rebus-Reihe). Und natürlich Big Ger Cafferty, Rebus’ Gegner-Freund, der sich anscheinend auch in den Ruhestand begeben hat.

Malcolm ist nach Gartcosh versetzt worden; nachdem in Edinburgh der Drogenboss Darryl Christie zusammengeschlagen wurde, dessen Geschäfte sich bis nach Gartcosh ausdehnen, schickt man Fox in sein altes Revier, um dort den Kollegen auf die Finger zu sehen, Ermittlungsergebnisse abzugreifen und für die neue Dienststellen nutzbar zu machen.
Kaum hat Rebus seine Finger in den alten Fall vergraben, geschieht ein Mord und – oh Wunder – der Cold Case scheint irgendwie mit der Gewalt gegen Christie und mit Cafferty zu tun zu haben.
Natürlich hat Rebus immer die Nase vorn, liefert den ehemaligen Kollegen Anhaltspunkte, die er sich mit List und Tücke erschlichen hat, und löst quasi im Vorbeigehen auch noch den alten Fall, an dem sich mehrere Ermitter jahrelang die Zähne ausgebissen haben.

Gibt es derzeit eigentlich außer Rankin noch einen Krimiautor, der in schöner Regelmäßigkeit Band um Band veröffentlicht, sich treu bleibt und gleichbleibend gut durchdachte, komplexe und thematisch interessante Krimis schreibt? Immerhin umfasst die Rebus-Serie inzwischen über 20 Bände, hat also die Zahl schon überschritten, wenn anderen Krimischreibern nichts Neues mehr einfällt oder wenn sie ihre Bücher mit Nichtigkeiten und Nebensächlichem 350 Seiten aufblähen.
Der größte Verdienst daran gehört natürlich dem Protagonisten, dennoch: Auch wenn Rankin Rebus viel von dem einbüßen lässt, was ihn bisher bestimmte, bleibt der Kern der Persönlichkeit erhalten. Glücklicherweise.