Rezension

Unterhaltsam, aber oberflächlich

Selection - Kiera Cass

Selection
von Kiera Cass

Bewertet mit 3.5 Sternen

Weder Ashley noch die anderen Mädchen waren Maxon gefolgt. Ich schaute mich verwirrt um und versuchte herauszufinden, wie viele fehlten. Acht.
Kriss, die mir gegenübersaß, beantwortete die Frage in meinen Augen.
"Sie sind ausgeschieden", sagte sie.
Ausgeschieden? Oh.
Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie in knapp fünf Minuten getan hatten, um Maxon zu missfallen, aber ich war plötzlich dankbar, dass ich mich entschieden hatte, aufrichtig zu sein.
Jetzt waren wir auf einmal nur noch siebenundzwanzig.

--

INHALT:
Aus dem ehemaligen Amerika ist, um das Land zu alter Stärke zurückzuführen, Illeá geworden, das in Acht Kasten unterteilt ist und von einer Königsfamilie regiert wird. America Singer gehört der Kaste Fünf an, gehört damit zu den Künstlern und lebt in eher ärmlichen Verhältnissen. Als ein Aufruf zu einem Casting gestartet wird, bei dem von 35 Mädchen eines als Ehefrau für Prinz Maxon ausgewählt wird, sieht ihre Mutter die Chance. America möchte eigentlich nicht mitmachen, lässt sich allerdings überreden - und wird wider Erwarten in den Palast eingeladen. Nun beginnt ein harter Konkurrenzkampf um den Titel und den jungen Mann. Und America ist hin- und her gerissen zwischen ihrem neuen und ihrem alten Leben, denn in letzterem wartet ihre heimliche Liebe Aspen auf sie...

MEINE MEINUNG:
Die Welle der Dystopien nimmt sowohl Deutschland als auch in anderen Ländern nicht ab und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Kiera Cass' "Selection" übersetzt wird. Angepriesen wird das Werk in Amerika als eine Mischung aus "The Hunger Games" und "Der Bachelor" - ersteren Vergleich kann man jedoch getrost vergessen. Viel mehr geht es um Intrigen, Liebe, Lügen und Freundschaft, wobei das alles nicht immer überzeugend, aber definitiv sehr unterhaltsam ist. Der Schreibstil ist angenehm flüssig zu lesen, sticht aber durch keine Besonderheiten hervor und bleibt so nicht lang im Gedächtnis.

Protagonistin America ist eigentlich ganz sympathisch, aber schon ihr Name macht klar, um welche Art von Charakter es sich bei ihr handelt: Eine Mary Sue wie sie im Buche steht nämlich. Sie ist schön, aber natürlich, freundlich und gutmütig, aber dennoch durchsetzungsfähig. Dabei gehen ihr leider die Ecken und Kanten verloren, weshalb es sehr, sehr schwer ist, sich mit ihr zu identifizieren. Ihre große Liebe Aspen kommt anfangs noch recht liebenswürdig rüber, sorgt er sich doch um ihr Wohl und ihren Stand. Kurz darauf trifft er jedoch eine wenig nachvollziehbare Entscheidung und verhält sich unausstehlich, was er bis zum Ende auch nicht wirklich wieder gut machen kann. Durch seine wenige Präsenz bleibt er ansonsten eher blass, was schade ist, wenn man bedenkt, was für eine Rolle er für America spielt.

Prinz Maxon ist anders als erwartet wenig langweilig, sondern eher recht witzig und nett, außerdem besitzt er durchaus einen gewissen Charme. Auch wenn es mir unglaubwürdig erschien, dass er so gut wie jedes Verhalten von America verzeiht und entschuldigt, konnte ich ihn aufgrund seiner leicht umgänglichen Art definitiv am besten leiden. Ansonsten aber sind die Figuren allesamt überaus klischeehaft gestaltet: Da gibt es die intrigante Zicke, die niemand leiden kann, die gute Freundin mit einem kleinen Geheimnis, die schüchterne Nette sowie die freundlichen und America fast schon vergötternden Zofen...Hier hätte sich die Autorin eindeutig mehr Einfallsreichtum erlauben können!

Die Geschichte ist natürlich absolut oberflächlich und geht nur in einigen wenigen Momenten in die Tiefe - der Plot dreht sich eben um die Mädchen und deren Kampf um Krone und Prinz. Kiera Cass gelingt es dennoch durchaus, den Leser mit ihrem Werk zu fesseln, weil es spannend ist, zu erfahren, wer als nächstes gehen muss. Durch die einseitige Erzählweise erfährt man dafür allerdings selten die Gründe, was ich sehr schade fand. Ein großer Kritikpunkt ist auch die Widersprüchlichkeit der Charaktere: America beschwert sich über eine Konkurrentin, die die gesamte Gruppe durch einen langwierigen Abschied eine Stunde lang aufhält, tut das gleiche kurz darauf allerdings selbst; sie beschreibt sich selbst als recht liebenswürdig, tritt dem Prinzen aber einfach mal gegen das Bein; und Maxon selbst hat keine Ahnung von dem, was in seinem Volk vor sich geht, achtet bei der Auswahl der verbleibenden Mädchen aber auf politische Aspekte. So etwas passt oftmals nicht zusammen und trübt das Bild.

Als Dystopie ist das Ganze auch ansonsten kaum zu sehen. Illeá wird zwar monarchisch regiert und besitzt ein Kastensystem, diese Aspekte werden jedoch kaum thematisiert. Da hoffe ich noch auf eine Steigerung! Eines jedoch muss ich der Autorin zugute halten: Ihr gelingt es wunderbar, die Dreiecksgeschichte zwar durchaus in einigen Momenten einzubringen und so die Spannung aufrechtzuerhalten, dieser Aspekt gewinnt allerdings beinahe nie die Oberhand und es ist nicht klar, wen America hier wohl wählen wird. Ich habe einen Favoriten, bin da aber tatsächlich gespannt. Einen Höhepunkt hat das Buch nicht - es endet einfach abrupt, was relativ ernüchternd ist, nachdem es grade so fesselnd geworden war. Hier wäre ein anderer Schluss wünschenswert gewesen, weil sich der Leser doch sehr in der Luft hängen gelassen fühlt. Die Lust auf Band 2 ist aber dennoch da!

FAZIT:
"Selection" ist sehr viel oberflächlicher als viele andere Dystopien und als solche auch kaum zu bezeichnen. Wer sich das klar macht [!], dürfte mir dem Werk Spaß haben, denn einen gewissen Unterhaltungswert besitzt es durchaus. Besonders die Liebesgeschichte[n] konnte[n] mich überraschenderweise überzeugen und tatsächlich für romantische Gefühle sorgen. Für einige nette Lesestunden ist das Buch sicherlich das Richtige. Knappe 3,5 Punkte.