Rezension

Unterhaltsam, aber schwächer als erwartet

Das Reich der sieben Höfe - Dornen und Rosen
von Sarah J. Maas

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn Bücher ihr Dasein lange auf einer Wunschliste fristen, werden Erwartungshaltungen nicht unbedingt niedriger, was den Blick unter Umständen kritischer ausfallen lässt. Als großer Fan der Reihe „Throne of Glass“ von Sarah Maas habe ich Monate auf die deutsche Übersetzung von "Das Reich der sieben Höfe" gewartet und war schon vor dem Aufklappen im Lieblingsbuchmodus, den ich nun ein wenig herunterfahren muss. Sarah Maas‘ Adaption des Märchens „Die Schöne und das Biest“ konnte mich zwar - wie erhofft - gut unterhalten, wackelt allerdings in einigen Punkten. Und das, obwohl sich die Autorin nicht allzu weit von „Throne of Glass“ entfernt. Ähnlichkeiten lassen sich nicht verbergen und sollen es auch nicht. Hauptprotagonistin Feyre könnte in ihrer spröden, selbstbewussten Art glatt als kleine Schwester von Assassinin Celaena Sardothien durchgehen. Auch die Fae, ein angriffslustiges, elfenhaftes Volk dürfte Kennern von „Throne of Glass“ bekannt vorkommen. Schließlich würzt Sarah Maas das Buch mit einigen Vorlieben: heiße, männliche Protagonisten, dosierte Erotik und – darauf hatte ICH mich am meisten gefreut – originelle, magische Kreaturen.

Angesiedelt ist die Handlung in Prythian – einem märchenhaften Reich, dass sich Menschen, Fae und andere Wesen in einer Art brodelndem Waffenstillstand teilen, der jederzeit in offene kriegerische Auseinandersetzungen umschlagen kann. Feyre lebt mit ihrem Vater und zwei Schwestern in einer kleinen Hütte nahe eines Waldes, in dem Feyre eines Tages einen Wolf erlegt. Kurz darauf fordert ein Ungeheuer Feyres Leben für das des toten Tieres.
Viel mehr möchte ich gar nicht verraten, denn da wären wir schon bei meinem ersten kleinen Problem mit der Geschichte. In Grundzügen bleibt Sarah Maas nahe am Original von „Die Schöne und das Biest“. Kennt man das Märchen, wartet man zwangsläufig auf die bekannten Wendungen, die nicht nur eintreten, sondern leicht krampfhaft abgehakt wirken. Mehrere Übergänge empfand ich als zu abrupt und hastig eingebunden und daher wenig überzeugend. Nach einer fesselnden, atmosphärisch starken Einstiegsszene, die für mich zu den besten in dem Buch überhaupt zählt, konnte Sarah Maas mich so richtig erst wieder im Finale überraschen, wodurch sich bisweilen latente Langeweile einstellte.

In Teilen entfernt sich Sarah Maas dann wieder deutlich von dem Märchen, was dem Ganzen gut bekommt, aber dazu führt, dass ein entscheidender Aspekt verloren geht. Im Märchen ist das Biest – und das ist wirklich entscheidend - ein echtes Biest, hässlich, furchterregend, abweisend. Und Belle ist verängstigt und abgestoßen, woraus letztlich der Reiz der Annäherung zwischen beiden besteht. Der langsame Prozess des Blickschärfens, vom Äußeren hin zu den inneren Werten fehlt bei Sarah Maas fast vollständig, was ich enorm schade fand. Ihr Biest ist ein Feen- bzw. Elfenprinz von unfassbarer Schönheit. Zwar kann sich Fae-Mann Tamlin nach Lust und Laune in ein Biest verwandeln und ist wegen eines Fluches dazu verdammt, stets eine goldene Maske zu tragen, doch sein makelloses Gesicht und seine (ihr ahnt es) wahnsinnig grünen Augen sind kaum zu verbergen. Tamlin ist ein nobler, aber glatter Charakter, der sich im Mittelteil mit einigen romantischen Szenen angenehm profilieren kann, der aber nur ein einziges Mal seine Fassung verliert, was wohl genau deshalb ein heftiges Knistern verursacht.

Die Charakterzeichnung fällt insgesamt etwas dünn aus. Sarah Maas spart (wie so oft) nicht an Klischees, wie dem perfekten Tamlin, dem obligaten Bad Boy und einem sich möglicherweise anbahnenden Love Triangle, was natürlich Unterhaltungswert hat, womit die Autorin aber auch auf ausgetretenen Pfaden wandelt. Eventuell behält sich Sarah Maas einen schärferen Blick auf ihre Figuren für die nächsten Teile vor. Luft nach oben ist vorhanden und einige Protagonisten scheinen noch nicht alle Facetten offenbart zu haben. Da hoffe ich mal ganz auf Rhysand!

Gut gefallen hat mir Feyres freche, emanzipierte und kämpferische Art. Die Nackenhaare stellten sich mir allerdings gegen Ende des Buches auf: Hier tut Feyre etwas ausgesprochen Gewalttätiges, was sich schlicht und ergreifend nicht mit meinen moralischen Vorstellungen deckt und auch nicht mit meinem Bild von echtem Heldentum. Mit dieser Szene büßte Feyre bei mir Sympathiepunkte ein. Vielleicht hätte man die Handlungsweise mit deutlicheren, inneren Zweifeln der Protagonistin relativieren können. In dieser Kürze möchte ich ambivalente Brutalität ungerne untergejubelt bekommen. Auch nicht in einem Jugendfantasybuch. Oder vielleicht gerade hier nicht.
Zuviel des Guten war mir auch das Finale. Auf den letzten Seiten räumt Sarah Maas mit einem ganz speziellen, allerletzten Hindernis auf. Musste das sein? Nun ja…

Stark ist "Das Reich der sieben Höfe" immer dann, wenn die Autorin ihren faszinierenden magischen Kreaturen die Führung überlässt, wie dem unheimlichen Bogge und den wilden Naga. Oder auch dann, wenn ihr Talent aufblitzt, mit einer handvoll Worte aus dem Stand heraus eine Wahnsinnsatmosphäre zu schaffen. Davon hätte es für mich gerne mehr sein dürfen.
Ersichtlich wird immerhin, dass Sarah Maas mit dem Reich Prythian und seinen vielen verfeindeten Fae-Höfen die nächsten Bände der Trilogie locker mit Konfliktpotenzial füllen kann und sich wohl auch weiter von Belle und dem Biest entfernen wird, was die Handlung etwas unberechenbarer und hoffentlich auch spannender machen dürfte.

Alles in allem ein solider, abenteuerlicher, romantisch-erotischer Reihenauftakt mit kleinen Längen, der Fans des Genres begeistert. Mir persönlich fehlt der Zauber des Märchens und eine etwas mutigere Abgrenzung von Stereotypen. Da ich mich insgesamt aber gut unterhalten fühle und ich die magische Ideenvielfalt von Sarah Maas sehr verehre, sind die Fortsetzungen Pflicht.