Rezension

Unterhaltungsliteratur mit einer Prise Melancholie

Wie man die Zeit anhält
von Matt Haig

Bewertet mit 3 Sternen

Die Tragikomödie eines Lebens

„Der Schlüssel zum Glück ist nicht, man selbst zu sein, denn was heißt das überhaupt? Jeder Mensch hat so viele Ichs. Nein. Der Schlüssel zum Glück ist, die Lüge zu finden, die am besten zu einem passt.“

 

Inhalt

 

Tom Hazard hat viele Namen, spielt zahlreiche Rollen und ist immer wieder auf der Flucht vor seinem ganz alltäglichen Leben, denn anders als die normalen Menschen ist er mittlerweile 439 Jahre auf der Erde und sieht jetzt gerade mal wie Anfang vierzig aus. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass es verdammt schwer ist, sich dauerhaft irgendwo niederzulassen, denn die Menschen werden misstrauisch, wenn man einfach nicht älter wird. Doch er ist nicht allein - ein gewisser Hendrich Pietersen hat eine Gesellschaft gegründet, die sich „Die Albatrosse“ nennt. Mitglied wird derjenige, der von einem anderen eingeladen wird und sich auf die Suche nach weiteren „Zeitlosen“ macht, die irgendwo auf der Erde leben, solange bis sie entdeckt werden. Hendrich verspricht dem zermürbten Tom, der sich derzeit als Geschichtslehrer in London verdingt, seine Tochter Marion zu finden, die das Krankheitsbild ihrer Vaters geerbt hat und demnach in echter Gefahr schwebt – doch den Preis, den Tom zahlt ist kein geringer, aller acht Jahre muss er weiterziehen, einen neuen Auftrag annehmen und sich von sämtlichen Menschen, die ihm etwas bedeuten fernhalten. Als er die warmherzige Französischlehrerin Camille trifft, wird ihm bewusst, dass er zu alt ist, um wieder in eine neue Rolle zu schlüpfen …

 

Meinung

 

Der britische Bestsellerautor Matt Haig, der mich schon mit seinem Roman „Ich und die Menschen“ überzeugen konnte, hat abermals ein sehr ansprechendes Gedankenkonstrukt erschaffen, welches sich explizit mit der Bedeutsamkeit der verrinnenden Zeit beschäftigt, mit dem verlangsamten Lauf des Lebens und einer Krankheit, die fast an Unsterblichkeit erinnert. So oder zumindest ähnlich könnte es sein, wenn man selbst 700 Jahre leben würde und genau diese Frage wirft diese unterhaltsame Geschichte auf. Wäre es wirklich so erstrebenswert sich dem ewigen Leben anzunähern? Oder würde man das Menschsein nicht einfach in die Dauerschleife legen und keinerlei Wertsteigerung mehr erleben.

 

Die Geschichte selbst fliegt nur so durch die Jahrhunderte, denn in klar umrissenen Kapiteln erfährt der Leser etwas über die Hexenverfolgung, über das Theater des William Shakespeare und das harte Leben als Seefahrer auf dem Höhepunkt der Piraterie – Tom war nämlich immer dabei, als Zeitzeuge sozusagen. Wechselnd erzählt zwischen damals und heute, nähert man sich dem leicht desillusionierten, melancholischen Helden an, der schon öfter den Wunsch verspürte, seinem Leben ein unnatürliches Ende zu setzen. Doch mit Eintritt in die Gesellschaft der „Albatrosse“ bekommt sein Dasein erstmals eine neue Dimension und diese Aufgabe hält ihn zumindest bei der Stange.

 

Schade finde ich nur, dass der Plot sehr oberflächlich ausgearbeitet wurde, weniger die wichtigen Fragen stehen im Zentrum, sondern eher die Akzeptanz einer Unmöglichkeit. Der Text bleibt weitgehend locker, die Sprache sehr modern, was nicht immer zum historischen Hintergrund passt und mich eher an eine zeitgenössische Erzählung mit fantastischen Elementen erinnert. Mein Anspruch an die Geschichte war auch ein anderer, habe ich mir doch erhofft, zu erfahren, was wirklich wichtig ist, welche Möglichkeiten in der Vorstellung an sich liegen und wo genau sich die Schnittstellen zwischen der Endlichkeit und der Unsterblichkeit befinden – selbst wenn es nur ein imaginärer Ansatz hätte werden können – gefunden habe ich ihn hier leider nicht.

 

Fazit

 

Ich vergebe durchschnittliche 3 Lesesterne für einen sehr lockeren, unterhaltsamen Roman. Man findet hier eine inspirierende Geschichte mit hinreichend interessanter Handlung und gut dargestellten Figuren. Dieses Buch ist auch schon für jüngere Leser geeignet, weil es die Phantasie anregt, ohne vorgefertigte Denkweisen zu präsentieren. Für ein kurzes, abenteuerliches Lesevergnügen ist es bestens geeignet, nur die Bedeutsamkeit, die Intensität des Gelesenen hat mir gefehlt und lässt das Buch auch schnell wieder in Vergessenheit geraten. Für eine Verfilmung jedoch würde ich mich aussprechen, dieser Stoff ist geradezu ideal für die Kinoleinwand.