Rezension

Verachtete Witwen, ein heruntergekommendes Kloster und viele Geheimnisse

Die Zitronenschwestern - Valentina Cebeni

Die Zitronenschwestern
von Valentina Cebeni

Bewertet mit 3 Sternen

Die Autorin nimmt uns mit auf die fiktive Île du Titan/Isola del Titano. Auf der Insel steht ein heruntergekommenes Kloster, das im Mittelpunkt dieses Romans steht. Es gehört Lea, die den Unmut des Bürgermeisters zu spüren bekommt, weil er das Kloster verkaufen will. Bei ihr leben Nicole und Dominique; bald auch Elettra, die auf den Wunsch von ihrer Mutter Edda die Insel besucht. 
Elettra möchte herausfinden, weshalb ihre Mutter hier gelebt hat und hofft auf jemand, der ihr mehr erzählen kann. Doch da findet sich niemand. Nur das untrügliche Zeichen von Anisduft, der ab und an durchs Kloster schwebt, deutet daraufhin. Um die Geschichte des Klosters ranken sich viele Legenden; auch hier muss etwas passiert sein, doch niemand weiss genaues. 
Der Leser ist minim im Vorteil, er liest auf den ersten Seiten von den zwei besten Freundinnen Edda und Josephine, die 1940 im Kloster lebten. Was danach passierte erfährt man nach und nach. Doch es geht lange, bis Elettra zum Schluss alles erfährt, was sich auf der Insel abspielte. 
Für alle, die wegen der Jahreszahl ins Grübeln geraten, weil sie nicht gerne Bücher über Kriege lesen: nein, die Geschichte hat nichts mit dem Krieg zu tun.

Die Insel ist schön beschrieben, den Duft der Zitrone fand ich jedoch nur in den Rezepten, nicht aber in der Geschichte. Durch das unfreundliche Verhalten der Insulaner fühlt man sich wie im Mittelalter. Seit einem Unglück, bei dem viele Fischer gestorben sind, leben viele Witwen auf der Insel, die meisten von ihnen auf der anderen Seite der Insel. Witwenschaft gilt als Strafe und die wenigen Männer auf der Insel spielen sich als Pascha auf. Es wird eine patriarchalische Familienordnung gelebt, die auf Aberglauben gestützt ist. So liest sich sich die Geschichte eher wie ein Roman aus früherer Zeit. Die Gefühle sind verklemmt, das Verhalten der Einwohner zutiefst unverständlich. 

Die Figuren wirken alle unnahbar distanziert, mir war keine sympathisch. Am ehesten vielleicht noch Isabelle, die Inselhebamme. 
Irgendwie passt dazu, dass auch die Isola del Titano nicht fassbar ist. Wo genau diese fiktive Insel zu finden ist, wird nirgends erläutert. Ich nehme an, sie liegt irgendwo zwischen Italien und Frankreich, da vor allem französische und italienische Namen vorkommen. Auch zeitlich ist der Roman schwer einzuordnen; es gab keine Computer und kein Handy, zumindest kommen keine vor. 
Eigentlich hoffte ich auf einen Schreibstil wie bei Cristina Carboni, vor allem bei den Bienenszenen und der Immobiliengeschichte musste ich doch öfter an ihre "Honigtöchter" denken. Frau Carboni wird im Nachwort erwähnt, wahrscheinlich ist sie die Mentorin von Valentina Cebeni. Doch leider kommt Frau Cebeni sprachlich und inhaltlich nicht an ihr Vorbild heran. 
Die trübsinnige, bedrückte Stimmung auf der Insel übertrug sich beim Lesen immer mehr auf mich. Der Roman wirkt nicht nur düster, er ist auch langatmig durch viele Wiederholungen. 
Die Witwenverbannung hätte nicht sein müssen. Der böse Bürgermeister, der das Kloster wegnehmen will, hätte gereicht. Vielleicht wäre die Geschichte dadurch glaubwürdiger geworden und hätte nicht wie ein Märchen gewirkt. Sie wäre sicherlich angenehmer zu lesen. 
Fazit: Der Duft von Anis und Zitrone fand ich nur in den ersten Kapiteln, danach wird die Geschichte je länger, je schwermütiger. 
3 Punkte.