Rezension

verdammt perfekt

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 5 Sternen

Was Violet über diese Geschichte hätte sagen können:

Ich lernte Finch kennen, gerade als ich oben auf dem Glockenturm der Schule stand. Taumelnd auf einem schmalen Sims und unsicher, ob ich lebend von hier oben runter kommen würde und unsicher, ob ich das überhaupt wollte. Und Finch nahm mich bei der Hand und rettete mir das Leben. Und von da an ließ er mich nicht mehr los. Er eroberte mich mit seinem Charme, überzeugte mich mit Witz und Phantasie,  nahm mich mit auf eine große Wanderung. Und während ich aus meiner eisigen Starre erwachte, konnte ich sehen, dass Finch in seiner eigenen Welt voll Alpträumen und Dunkelheit gefangen war und ich ihm ebenfalls helfen musste.

Was Finch über diese Geschichte hätte sagen können:

Ich traf Violet, meine Ultraviolet, oben auf einem Turm. Ob ich sie gerettet habe an diesem Tag, oder wir einander,  ist eigentlich unwichtig. Und sie hat es tatsächlich zugelassen, dass ich sie liebe; und was kann es Größeres geben. Und ich habe ihr gezeigt wer ich bin und wie ich die Welt sehe. Und sie ist mit mir in meinem Wandschrank gesessen, mit mir im Blauen See getaucht und für eine Weile habe ich es geschafft, meinem dunklen Schlaf zu entrinnen.

Was ich über die Geschichte sage:

Ich wusste anfangs nicht so genau, auf was ich mich mit diesem Buch eingelassen hatte. Irgendwie dachte ich, dass es zwar einen ernsten Kern hat aber doch vor allem ein Jugendbuch wäre. Das wunderschöne Cover hat mich magisch angezogen. Und der Titel „All die verdammt perfekten Tage“ ist genau nach meinem Geschmack. Aber die Geschichte entwickelt sich zu viel mehr als einem reinen Unterhaltungsroman. Von der ersten Seite an war ich gefangen. Vor allem bei den Gesprächen zwischen ihren Hauptdarstellern Violet und Finch trifft die Autorin Jennifer Niven genau den richtigen Ton zwischen humorvoll und intelligent, zwischen jugendlicher Leichtigkeit und reifer Weisheit. Zwischen Violet, die schwer am Verlust ihrer älteren Schwester zu kauen hat und Finch, dem unangepassten Außenseiter, der abends die verschiedenen Möglichkeiten protokolliert, wie man Selbstmord begehen könnte, entwickelt sich schnell eine große Anziehungskraft. Beide werden füreinander zu einer Art Rettungsanker, beide versuchen aus ihrer depressiven Stimmung rauszukommen und die Vergangenheit zu überwinden.

Viel mehr will ich über den Inhalt gar nicht sagen, denn es ist einfach schön, dieses Buch unvoreingenommen selbst zu entdecken. Die Autorin hat es u.a. geschrieben, um eigene Erlebnisse zu verarbeiten und anderen Menschen zu helfen, die mit dem Tod eines geliebten Menschen fertig werden müssen und auch mit denen, die eine psychische Erkrankung haben oder jemanden kennen, der damit lebt. Sie lotet die Tiefen der Seelen von Violet und Finch in einer fast lyrischen und oft sehr ergreifenden Weise aus, findet Worte für den Schmerz, den Verlust, für die Lebensängste der Figuren. Aber auch die Liebe, das Glück und die Freude kommen nicht zu kurz. Es ist ein Buch zum Lachen und zum Weinen, eines zum Nachdenken und eines, aus dem ich ständig etwas zitieren und herausschreiben musste. Ein Buch für alle Generationen. Ein Buch das Mut macht und Zuversicht schenkt.

Mein Lieblingszitat:

Wenn alle anderen zugrunde gingen und er übrig bliebe, würde ich fortfahren zu sein; und wenn alle anderen blieben und er würde vernichtet, so würde sich das Weltall in etwas vollkommen Fremdes verwandeln….