Rezension

Verdeckte Ermittlung und psychische Störungen - beklemmend gut zu lesen

Fiona - Als ich tot war - Harry Bingham

Fiona - Als ich tot war
von Harry Bingham

Bewertet mit 4 Sternen

"Fiona. Als ich tot war" ist das dritte Buch der Fiona Griffiths Reihe rund um die gleichnamige Ermittlerin von Harry Bingham.
Wenige Morde - viele Betrugsfälle. Aus diesem Grund wird Detective Constable Fiona Griffiths zur Aufklärung eines scheinbar langweiligen Rechnungsbetrugs in einem Möbelmarkt eingeteilt. Als zwei Leichen gefunden werden, zeigt sich, dass ein Betrugsring von größerem Ausmaß dahinter steckt und so wird Fiona als verdeckte Ermittlerin "Fiona Grey" dort eingeschleust. Doch abgesehen von dem damit einhergehenden Druck, hat Fiona auch psychische Probleme und die Grenzen zwischen den beiden Frauen verschwimmen zusehends.

Ich habe Teil 1+2 der Reihe nicht gelesen, habe mich aber dadurch nicht beeinträchtigt gefühlt. Mit einem Namen konnte ich nichts anfangen, dieser war aber nicht essentiell wichtig und seine Bedeutung aus dem Zusammenhang zu erschließen. Dass Fiona als Lohnbuchhalterin eingeschleust wird, sollte Leser ebenfalls nicht abhalten, da es fachlich nicht ins Detail geht.

Nach wenigen Seiten zeigt sich ein sehr ungewöhnlicher Schreibstil: Aus der Ego - Perspektive und außerdem im Präsens verfolgen wir Gedanken und Gefühle von Fiona. Viele kurze eingängige Sätze, zum Teil mit Umgangssprache, lassen dies authentisch wirken. Fiona nimmt in ihrem Kopf kein Blatt vor den Mund und ist sehr sarkastisch. Das macht sie auf Anhieb sympathisch.

In Bezug auf die Handlung hat mir sehr gut gefallen, dass der Fund der ersten Leiche nicht lange auf sich warten ließ. Wo viele Krimis trödeln, ging es hier schnell zur Sache. Uninteressante Ereignisse werden kurz abgehandelt, sodass auch der Undercover-Einsatz bald startet. Ab diesem Zeitpunkt wird die Spannung immer hochgehalten und der Leser erwartet in jeder Sekunde den "Knall": dass Fiona einen Fehler macht. Ab und zu habe ich mich kurz gefragt, ob man den Höhepunkt einfach weggelassen hat, aber 70 Seiten vor Schluss kommt das Finale. Leider waren meine Erwartungen zwischenzeitlich so hochgeschraubt, dass das Ende meine Erwartungen nicht erfüllen konnte: zu unspektakulär und unbefriedigend. Letzteres findet sogar die Protagonistin selbst! Hier daher leichte Abzüge im Krimi-Faktor, zumal Fiona zwischendurch unglaubhaft viel Glück hat.

Das absolute Highlight in diesem Buch (vermutlich in der ganzen Reihe) ist die intensive Beschreibung von Fionas Gefühlswelt. Sie leidet unter dem Cotard-Syndrom: Wahnvorstellungen, Depressionen und Depersonalisierung - man hält sich für tot. Sie nimmt zwar keine Medikamente mehr, aber gerade die emotionale Verwirrung über die teilweise bis zu 3 Personen, die sie verkörpern muss, lassen ihre Störungen wieder aufflackern. Außerdem fällt es ihr permanent schwer, ihre Emotionen zu erkennen und zu verarbeiten, sowie auf andere die "angemessene Reaktion" zu zeigen. Niemand, der nicht betroffen ist, kann sich in diese Situation hineinversetzen, aber der Eindruck, den uns Harry Bingham vermittelt, ist erschreckend. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, ob Fiona nicht durch die Krankheit mehr in Gefahr ist, als durch die verdeckte Ermittlung. Auch wenn sie ihren Job gut macht, sollte sie wirklich bei der Polizei arbeiten? Eine außergewöhnliche Erfahrung mit einer mir bis dahin unbekannten Krankheit. 

Zusammenfassend gibt es für dieses Buch 4 von 5 Sternen, wegen dieser an den Nerven zehrenden Krankheitsbeschreibung aber auch wegen des enttäuschenden Endes mit dem man sich als Leser einfach nicht wohlfühlt.