Rezension

Verdienter Hype

Ein ganzes halbes Jahr - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr
von Jojo Moyes

Bewertet mit 5 Sternen

Louisa Clark ist 26, lebt in einem kleinen englischen Stadt, ca. 1h von London entfernt, arbeitet in einem kleinen Café und ist seit fast 7 Jahren mit Patrick zusammen. Sie wohnt noch bei ihren Eltern und trägt immer ziemlich bunte Klamotten, die in der Kleinstadt sehr auffallen.

Will Traynor ist Mitte 30 und sitzt seit ca. 2 Jahren im Rollstuhl. Er hatte einen Unfall und kann seitdem nur noch seinen Kopf und seine Hände bewegen. Auch wenn viele denken, dass er sich mit seinem neuen Leben angefreundet haben müsste, kann er sich nicht vorstellen, so weiterzuleben.

Als eines Tages das Café, in dem Louisa arbeitet, geschlossen wird, nimmt sie die Stelle als Betreuerin von Will an. Zunächst kommt sie kaum an ihn heran und widmet sich deshalb in erster Linie dem Haushalt. Doch dann erfährt sie - eher zufällig - dass zu ihren Aufgaben nicht nur seine Betreuung gehört, sondern auch, ihm wieder Freude am Leben zu geben. Bei dieser Aufgabe merkt Louisa, dass sie mehr kann, als sie bisher dachte...

Das Buch liest sich sehr flüssig, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Allerdings habe ich gemerkt, dass ich schon in der richtigen Stimmung sein musste, so dass ich an manchen Abenden eher zu einer Zeitschrift als zum Buch gegriffen habe. Dies ist die einzige Einschränkung, die ich bei meiner Empfehlung mache: Man sollte in der Stimmung für ein emotionales Buch mit einem schwierigen Thema sein und Taschentücher in Griffweite haben...

Die Charaktere sind sehr liebevoll dargestellt. Vor allem Louisa konnte ich richtig vor mir sehen, wie sie mit ihren bunten Kleidern in ihrem Heimatort unterwegs ist und dort zwischen den Menschen nicht zu übersehen ist - und damit natürlich auch im vornehmen Haus der Traynors auffällt. Louisas Familie, die zwar ein wenig beengt lebt, aber glücklich ist. Patrick, der vom gemütlichen Lebemensch zum Athleten geworden ist und kein Thema als seinen Sport mehr kennt. Will, der allein in seinem Anbau lebt und sich von allem distanziert, was passiert oder wer sich ihm nähert. Ein Stück weit habe ich mit ihnen gelebt, sie wurden fast ein Teil meines Alltags und meiner Gedanken.

In diese Geschichte eingebettet findet sich ein brisantes medizinethisches Thema. Wie Jojo Moyes damit umgeht, finde ich richtig super! Sie lässt jedem seine Meinung dazu und man merkt, dass sie selbst sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt hat. Es kommt ein buntes Mosaik an Meinungen heraus, das keine Lösung bietet, sondern zeigt, dass es bei diesem Thema nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Ich habe im Studium für einen Medizinethiker gearbeitet und finde das Thema und dem Umgang damit sehr gut umgesetzt, da die wesentlichen Argumente und Positionen aufgenommen wurden, aber dies in einer Weise, dass sie allgemein verständlich sind und man bei niemandem sagen kann, man würde überhaupt nicht verstehen, warum er/sie so denkt, wie er/sie es tut. Ich konnte nicht jedem in seiner Haltung zustimmen, aber es bleibt auch keine komplett unverständlich.

Das Ende hinterlässt einige offene Handlungsstränge. Das fand ich persönlich nicht schlimm, weil so am Ende der Fokus auf der eigentlichen Handlung blieb. Zudem hatte so mein Kopf nach dem Ende des Buches noch Dinge, mit denen er sich befassen konnte, da das Buch mich nicht losgelassen hat.

Fazit: Lesen!