Rezension

Vergnüglich beschriebene, vergängliche TV-Karriere

Morning Glory - Diana Peterfreund

Morning Glory
von Diana Peterfreund

Bewertet mit 4.5 Sternen

Becky ist jung - und arbeitslos, denn anstatt der erwarteten Beförderung erhält sie die fristlose Kündigung und anstatt endlich eine Führungsposition zu besetzen, besetzt sie nun nicht einmal mehr die Rolle des organisierenden "Mädchen für alles" bzw. der kleinen Aussenreporterin einer regionalen Morning Show in New Jersey. Wenigstens prophezeit ihr Boss ihr, sie, mit ihrem Talent und Engagement, könne es schaffen, eine grosse Karriere zu starten und organisiert ihr ein Vorstellungsgespräch in New York, bei dem man ihr verkündet, sie würde niemals woanders Fuss fassen können, so ohne Studienabschluss einer Uni der Ivy League. Denn Becky hat als Jugendliche alles hingeschmissen, zu Gunsten eben der TV-Show, bei der man sie nun rausgeschmissen hat, doch ihre praktische Erfahrung ist nun allen egal. So scheint es, denn trotzdem bekommt Becky die, absolut miserabel bezahlte, Stelle als ausführende Produzentin einer morgendlichen TV-Show. Und nun will Becky beweisen, dass man sie nur nicht unterschätzen soll: Allerdings wird sie schnell desillusioniert, das "Daybreak" zugestandene Budget ist schmal, die Zuschauerzahlen noch geringer, und offensichtlich wechseln die Showverantwortlichen häufiger als die Studio-Putzfrau das Wischwasser.
Schnell wird für Becky offenbar, dass die Tage von "Daybreak" längst gezählt sind und man sie in erster Linie zum Lichterausknipsen engagiert hat, aber wird "Daybreak" unter ihrer Verantwortung abgesetzt, ist ihre TV-Karriere damit endgültig beendet - und das weckt in Becky erst recht die wilde Entschlossenheit, den Karren "Daybreak" aus dem Dreck zu ziehen und ihm eine neue Politur zu verpassen: Unter Zuhilfenahme des Könnens ihres grossen Nachrichtensprechervorbildes Mike Pomeroy, der ihr nicht helfen will, weil er den Klatsch und Tratsch im Frühstücksfernsehen mehr als geringschätzt, aber noch einen Vertrag mit dem TV-Sender hat, der ihm nicht erlaubt, den Posten bei "Daybreak" nicht anzunehmen. ...

Das klingt ja nun schon sehr schräg und das ist es auch: "Morning Glory", übrigens längst verfilmt, wobei ich zur filmischen Umsetzung nichts sagen kann, da ich den Film bislang nie gesehen habe,wird von Becky selbst erzählt, die ihr Leben mit bissiger Selbstironie betrachtet und häufig, wenn man sie aufzuziehen versucht, diese Aussagen pariert, in dem sie ihnen süffisant beipflichtet. So macht sie zum Beispiel selbst häufig Witze über die Handvoll Zuschauer von "Daybreak".
Von den "elitären, studierten Ivy-League-Graduenten mit Treuhandsfonds, die keine Ahnung vom wahren Leben" hält sie nichts, flucht manchmal laut und manchmal leise über sie, ist mal verzweifelt und dann wieder festentschlossen und gradeaus, vor Allem, wenn ihr wieder einfällt, dass die Sendung den Bach eh schon sehr weit hinabgeflossen ist und sie ja eigentlich rein gar nix mehr falsch machen kann.
Als falsch stellt sich aber alsbald ihr Verständnis des legendären Mike heraus, bei dem schnell klar wird, dass es absolut begründet ist, dass er seit Jahren vor keine Kamera mehr gelassen wurde und dass er ein eher unumgänglicher Zeitgenosse ist, der (welt)politisch sehr informiert und interessiert ist, der sich für die aktuell populären Stars aber nicht nur nicht interessiert, sondern auch keine Ahnung hat, wer da überhaupt wer und für was berühmt ist. (Gut, Letzteres weiss in sehr vielen Fällen eh niemand so recht.) Ich fand es aber zuweilen sehr unterhaltsam, mit welchen Aussagen er Interviewvorschläge mit Menschen wie Taylor Swift etc. völlig entrüstet zurückgewiesen hat und wie er reagierte, wenn Becky ihm zu erklären versuchte, dass im Frühstücksfernsehen aber auch Entertainment wichtig sei. Und auch in den Live-Sendungen streikt er mitunter anstelle zu solchem Firlefanz hin überzuleiten. Er ist also völlig unberechenbar (und seine Zeit vor der Kamera endete dereinst übrigens eh schon berüchtigt damit, dass er einem Politiker wüste Beschimpfungen an den Kopf knallte).

Die Handlung entwickelt sich letztlich dahingehend, dass ständig darüber diskutiert wird, von welchem bis zu welchem Buchstaben man ein Schimpfwort wegbeeeeeepen muss, was lustiger ist als es nun klingt, denn Becky bindet später noch einen neuen Showteil ein, in dem sogar voraussehbar sehr viel wüstes Zeug verbal ausgestossen wird; wie schon gesagt: Sie gelangt an diesen Punkt, an dem sie bereit ist, alles zu versuchen, um "Daybreak" wieder ins Gespräch, zumindest auf ein paar mehr Fernsehbildschirme, zu bringen. 

Dass Becky zusätzlich noch zaghaft mit Adam, dem Produzententeam einer anderen im selben Gebäude produzierten Sendung, anbändelt, kann man in diesem Roman eher unter "ferner liefen" abhaken: "Morning Glory" konzentriert sich zu 95% auf diese reine Karrieren-Komödie; klar ist das ein wenig albern, aber sind das die Promi-Magazine nicht ohnehin auch immer? Und grade Mike zeigt hier sehr schön auf, wie leicht sich Zuschauer einlullen lassen und jegliches Interesse am Wesentlichen verlieren. Darüber kann man auch nach dem Auslesen des Romans noch ein Weilchen nachdenken. Bis dahin ist "Morning Glory" aber eigentlich nur kurzweilig und amüsant.

Wer über die Irrungen und Wirrungen des Showbiz schmunzeln möchte, den Irrsinn hinter den Kameras der Fernsehstudios belächeln mag (traurigerweise ist der komplette Inhalt von "Morning Glory", wie absurd er teils auch sein mag, völlig glaubwürdig) und sich freuen, mit dieser Welt nichts zu tun zu haben: Bitteschön, dies ist ein Roman für euch! ;)