Rezension

Verlangt einiges an Geduld ab...

Die Spur ins Schattenland - Jonathan Stroud

Die Spur ins Schattenland
von Jonathan Stroud

Bewertet mit 2 Sternen

Fantastische Traumwelt - bedrohlicher Alltag: ein meisterhaftes Spiel mit Fantasie und Realität

Alle glauben, Max wäre ertrunken. Nur Charlie glaubt das nicht. Sie war doch dabei am Mühlsee, als Max ins Wasser sprang! Sie weiß doch genau, was dort passiert ist!
In ihren Träumen kann Charlie Max sehen. Max ist nicht tot, er ist noch da. Charlie muss nur seinen Spuren folgen, um ihn nach Hause zu holen. Und Charlie folgt ihnen - selbst über die Grenzen dieser Welt hinaus...

"Die Spur ins Schattenland" ist ein psychologisches Verwirrspiel, bei dem Stroud stets offen lässt, ob nun Charlies Version der Ereignisse - das Schattenland, die seltsamen Frauen, die Max im Wasser nach unten zogen - der Wirklichkeit entspricht, oder ob sie einfach traumatisiert ist und sich alles nur einbildet. Diese Ungewissheit hält bis zum sehr offen gehaltenen Ende an.
Abwechselnd lässt Stroud Charlie und ihren großen Bruder James zu Wort kommen. Irritierend ist hier, dass die Lesung allein von Gerd Köster bestritten wird, obwohl die Hauptfigur ein Mädchen ist. Eine weibliche Stimme wäre hier weitaus passender gewesen. Da Charlie und James beide aus der Ich-Perspektive berichten, braucht man als Hörer manchmal einige Sekunden, um zu begreifen, wer gerade spricht.

Das Hörbuch ist stellenweise recht langatmig. Zu Beginn fehlt es ein wenig an Action und die spätere Handlung ist ein wenig zu wirr, um wirklich als Action bezeichnet werden zu können. Gerade Charlies Erlebnisse in der Traumwelt gestalten sich unnötig langwierig, was der Geschichte einfach den Schwung nimmt.
Ebenfalls unvorteilhaft gestaltet sich auch die Beziehung zwischen Charlie und ihrem verschwundenen Freund Max. Zwar erfährt der Leser durchaus, wie viel Max Charlie bedeutet, dem Autor gelingt es aber nicht, auch uns Max näher zu bringen. Aufgrund dieses fehlenden Bezugs fällt es zeitweise schwer, Charlies Besessenheit richtig nachempfinden zu können. Max bleibt das gesamte Buch hindurch eher eine distanzierte Persönlichkeit.

In diesem Fall war ich wirklich froh, dass es sich um eine gekürzte Lesung handelt, fand sie mit 265 Minuten auf vier CDs immer noch verhältnismäßig lang.
Gerd Köster unterstreicht diesen Eindruck durch seine sehr ruhige, bedächtige Lesung auch noch. Zwar liest er prinzipiell gut und mit Gefühl, aber auch nicht aufsehenerregend oder besonders akzentuiert. Ab der dritten CD schleicht sich dann auch eine gewisse Ungeduld beim Hörer ein, denn es geht kaum vorwärts, man möchte endlich wissen, woran man nun ist! Das offene Ende mag zwar anspruchsvoll sein und zum Denken einladen, ist aber auch recht unbefriedigend.

Eine sehr ruhige und bedächtig erzählte Geschichte zu einem ernsten Thema, ein Grenzgang zwischen Traum und Realität. Fans der Bartimäus-Trilogie von Jonathan Stroud sollten hier keine Fantasyerzählung erwarten.
Für ältere Kinder ab elf Jahren und für Jugendliche, die sich auch für die Themen Tod und Trauer interessieren, sicher interessant - aber dennoch verlangt das schön aufgemachte Hörbuch einiges an Geduld ab.

© Parden