Rezension

Verliert immer mehr an Tempo und Spannung

Kälte - Michael Northrop

Kälte
von Michael Northrop

Es schneit wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Scotty und seine Freunde Pete und Jason gehören zu den letzten sieben Schülern ihrer Highschool, die darauf warten, nach dem Unterricht abgeholt zu werden. Bald jedoch wird klar, dass niemand mehr kommen wird. Anfangs scheint es noch gar keine so schlechte Sache zu sein, den Abend und schließlich die Nacht in der Schule verbringen zu müssen – immerhin sind die zwei süßen Mädchen Julie und Krista mit von der Partie. Doch als zuerst der Strom ausfällt, dann die Heizung, schließlich die Wasserleitungen einfrieren und der Schnee draußen immer höher steigt und sie in Dunkelheit hüllt, liegen die Nerven blank und plötzlich geht es ums nackte Überleben.

Was als spannende Geschichte beginnt, verliert immer mehr an Tempo und Spannung. Ich habe erwartet, dass der Autor mit der gereizten Stimmung spielt, die entsteht, wenn man mehrere Tage miteinander eingesperrt ist. Oder dass schmutzige Geheimnisse aus vergangenen Tagen ans Tageslicht kommen und die Schüler aufeinander losgehen. Aber nicht nur in diesem Punkt wurde ich enttäuscht, denn der Autor nutzt weder die angespannte Situation für seine Geschichte, noch watet er mit überraschenden Wendungen auf.

Ich hatte nicht einmal davor Angst, dass eine der Figuren erfrieren oder verhungern könnte – denn eigentlich hatten sie es doch ganz gut getroffen und es war nur eine Frage der Zeit bis man sie in der Highschool entdecken würde. Immerhin gibt es in der Mensa mehr als genug zu essen und von dem Glück konnte sicher nicht jeder sprechen, der es noch in sein Haus geschafft hat. Außerdem hatten Scotty und seine Mitschüler zumindest in den oberen Etagen der Highschool Licht, während die meisten Häuser im Schnee versunken sind.

Damals konnte sich wohl noch keiner von uns vorstellen, dass es tatsächlich Tote geben könnte. Wir hatten schon so einige Schneestürme überstanden, und dabei hatte es noch nie jemanden erwischt, den wir gekannt hatten. Und dann würde uns allen derselbe Gedanke kommen: dass Les vielleicht einen Menschen umgebracht hatte.

Vor allem aber hätte ich tatsächlich mit mehr Nervenkitzel, mehr psychischen Druck und auch mit mehr Toten gerechnet. Die wirklich große Idee, den »Aha«-Moment sucht man in »Kälte« vergeblich. Leider konnte Michael Northrop mich auch nicht von seinen Figuren überzeugen, er hat es nicht geschafft, die Oberflächlichkeit zu durchbrechen und ihnen eine Persönlichkeit zu verleihen. Und das obwohl der Protagonist, Scotty Weems, den Leser direkt anspricht und ihn in seine Erzählung miteinbezieht.

Trotz all meiner Kritik versteht Michael Northrop es, die Atmosphäre in der Highschool glaubwürdig zu schildern und die Ausmaße des Schneesturms bildhaft zu beschreiben. Der Autor hat eine authentische Geschichte erzählt und mit seinem flüßigen Schreibstil bei mir gepunktet. Denn obwohl mich der Inhalt nicht überzeugen konnte, habe ich das Buch nicht als langatmig oder uninteressant empfunden. Daher finde ich es sehr schade, dass der Autornicht mehr aus seiner Idee herausgeholt hat. Ich bin mir sicher, dass er mich mit einem ausgereiften Konzept begeistert hätte. So verblasst »Kälte« leider gegenüber anderen Büchern aus dem Genre, wie zum Beispiel der »Last Survivors«-Reihe von Susan Beth Pfeffer. Dennoch halte ich es für ein spannendes Buch für jüngere Leser ab 12 Jahren.