Rezension

Verlust der Menschlichkeit – Eindrucksvoll, bedrückend und auf die heutige Zeit übertragbar Kurz vor dem 2. Weltkrieg lebt der kleine Pierrot mit seinen Eltern in Paris. Seine Kindheit ist unbeschwert, bis er seinen Vater an den dunklen Wolken der Krieg

Der Junge auf dem Berg
von John Boyne

Bewertet mit 4 Sternen

Kurz vor dem 2. Weltkrieg lebt der kleine Pierrot mit seinen Eltern in Paris. Seine Kindheit ist unbeschwert, bis er seinen Vater an den dunklen Wolken der Kriegserinnerungen verliert und seine Mutter plötzlich stirbt.

Pierrot muss seinen Hund und seinen einzigen Freund Anshem, ein Judenkind, zurücklassen, als er in ein Waisenhaus kommt. Aber sie schwören sich, nie den Kontakt abzubrechen. Pierrots Zeit im Waisenhaus ist überschaubar, denn die Schwester seines Vaters holt ihn zu sich. Zu sich auf den Berg, wo sie in der Sommerresidenz Adolf Hitlers lebt und arbeitet.

Von da an verändert sich Pierrots Leben. Es beginnt damit, dass er von nun an nicht mehr Pierrot, sondern Peter heißt, seine Herkunft und seinen jüdischen Freund verleugnen muss. Während Peter heranwächst beeinflusst der charismatische Führer Peters Entwicklung und Lebenseinstellung drastisch, bis er treuergeben einen unverzeihlichen und tödlichen Verrat begeht.

Der Autor:

John Boyne wurde 1971 in Dublin, Irland, geboren, wo er auch heute lebt. Er ist der Autor von sechzehn Romanen, darunter ›Der Junge im gestreiften Pyjama‹, der sich weltweit sechs Millionen Mal verkaufte, zahlreiche internationale Buchpreise gewann und mit großem Erfolg verfilmt wurde. John Boynes Romane wurden in über vierzig Sprachen übersetzt.

Reflektionen:

Pierrot ist klein und unscheinbar und er ist stets der Letzte, den andere Kinder in ihre Gruppe wählen. Man hänselt ihn, man bedroht ihn und Pierrot wünscht sich eines Tages so viel Macht und Kraft zu besitzen, dass er sich wehren kann. Er leidet sehr, dass sein geliebter Vater tot ist. Er bewundert ihn, hält ihn für einen Kriegshelden und eines Tages, will er ihn stolz machen.

Als der kleine Pierrot auf dem Berg ankommt, verändert sich sein Leben rasant. Strenge Regeln beherrschen von nun an sein Leben. Er ist zutiefst betrübt, dass er seinen jüdischen Freund verleugnen muss und er versteht nicht, warum er von nun an Peter heißen muss.

 

Im Laufe der Zeit saugt Pierrot alles in sich auf, was um ihn herum geschieht. Er bewundert den Führer, wie der Macht ausübt, wie alle strammstehen, wenn er etwas sagt und er bewundert die Männer in Uniform, die mit ihren Gewehren patrouillieren

Als er vom Führer eine Uniform der Hitlerjugend geschenkt bekommt, wandelt sich auch sein Gemüt langsam und er selbst setzt sich das Ziel, eines Tages ebenso machtvoll zu sein.

In den alltäglichen Handlungen des Jungen schildert John Boyne die Entwicklung des Jungen unter dem Einfluss Adolf Hitlers glaubwürdig. Zunächst ist er ein kleiner, hilfloser Junge, der als Kind erste Erfahrungen mit dem Antisemitismus macht, die er jedoch noch nicht einordnen kann. Als er dann erste Machtspiele entwickelt verzeiht man ihm noch, doch umso älter Peter wird, umso deutlicher wird es, dass er die charismatischen Eigenschaften des Führers übernimmt und die Welt des Nationalsozialismus eintaucht.

Es ist erschreckend authentisch, wie John Boyne die vom Führer gezielt angewandte Beeinflussung und Manipulation auf den Jungen überträgt. Und es ist unfassbar, wie weit sie den Charakter des zunächst äußerst labilen Jungen prägen, der immer mehr seine Menschlichkeit verliert. Der kleine Pierrot weckt Mitleid, während der Heranwachsende auch die Emotionen des Lesers in abstoßend wandelt.

John Boynes Schreibstil ist flüssig und angenehm kurzweilig zu lesen. Es blitzen kleine literarische Perlen im Ausdruck auf, aber dieses Buch ist nicht mit dem hochemotionalen Werk der Junge im gestreiften Pyjama gleichzusetzten. Aber ich finde es auch nicht recht, den Jungen auf dem Berg mit dem Jungen im gestreiften Pyjama gleichzusetzten, denn dieses hier ist inhaltlich von menschlicher Kälte geprägt, während das erstere emotional tief berührt.

Für mich persönlich war dieses Buch durchaus ein Pageturner, da ich der Begegnung Pierrots mit Hitler fiebernd entgegen las. Die Spannungskurve entwickelte sich in gemäßigtem Tempo nach oben, aber dennoch knisterte die Spannung auf jeder gelesenen Seite.

Die Geschichte ist historisch alt und dennoch ließe sie sich auf die heutige Zeit übertragen, wenn man beispielsweise an die Manipulation und Beeinflussung von Jugendlichen durch propagandistische Salafisten denkt. Und deshalb wäre es eine gute Idee, diese wertvolle Geschichte Jugendlichen der höheren Klassen in der Schule an die Hand zu geben und mit ihnen darüber zu diskutieren.

Fazit und Bewertung:

John Boye schreibt eindrucksvoll über die jugendliche Verführbarkeit, die Manipulation und über eine Charakterentwicklung bis hin zum Verlust der Menschlichkeit. Authentisch und glaubwürdig erlebt man in diesem Buch mit, wie der charismatische Einfluss Hitlers das Leben Pierrots beeinflusst und fast zerstört.

Die Geschichte ist historisch alt und dennoch ließe sie sich auf die heutige Zeit übertragen, wenn man beispielsweise an die Manipulation und Beeinflussung von Jugendlichen durch propagandistische Salafisten denkt. Und deshalb wäre es eine gute Idee, diese wertvolle Geschichte Jugendlichen der höheren Klassen in der Schule an die Hand zu geben und mit ihnen darüber zu diskutieren.

Leseempfehlung.

4 Sterne

©nisnis-buecherliebe