Rezension

Verschmelzung von Fakten und Fiktion

Die Erfindung der Flügel - Sue Monk Kidd

Die Erfindung der Flügel
von Sue Monk Kidd

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:
Zum elften Geburtstag bekommt Sarah, die Tochter weißer Großgrundbesitzer in Charlston, South Carolina, die zehnjährige Sklavin Hetty, genannt Handful, geschenkt. Sarah möchte das Geschenk nicht annehmen, weil sie Sklaverei als falsch empfindet. Doch sie wird dazu gezwungen. Wenigstens versucht sie fortan, Handful eher als Freundin denn als Sklavin zu behandeln.

Handful lebt zusammen mit ihrer Mutter bei ihrer Herrschaft, den Grimkés. Ihre „Mauma“ Charlotte erzählt ihr Geschichten von Afrika, wo die Menschen Flügel hatten und frei waren. Handful hat von ihrer Mutter die rebellische Ader geerbt. Sie lässt sich von den Weißen nicht unterkriegen.

Meine Meinung:
Sue Monk Kidd erzählt sehr einfühlsam und beeindruckend von zwei ungleichen Mädchen, die aber im Inneren gar nicht so ungleich sind. Nur wurden sie eben auf verschiedenen Seiten der Gesellschaft geboren. Handful wird nicht aufhören, sich zu wehren, so gut es ihr möglich ist, und Sarah wird nicht aufhören, für die Befreiung der Sklaven einzutreten.

Die Handlung des Romans erstreckt sich über die Jahre 1803 bis 1838. Dabei wechseln die Kapitel immer zwischen Sarah und Handful hin und her. So erleben wir das Aufwachsen und die Entwicklung beider Protagonistinnen mit, wobei Sarahs Kapitel meist etwas länger sind als die von Handful. Sarah und Handful erscheinen beide als rebellisch. Handful weigert sich, sich in ihr Sklavendasein zu ergeben und strebt immer wieder nach Freiheit. Sarah fühlt schon früh, dass sie zu etwas Besonderem berufen ist. Ihr Kindheitstraum, Anwältin zu werden wie ihr Vater und ihr Bruder Thomas, wird ihr verwehrt. Frauen sollen in dieser Gesellschaft keinen Beruf haben, sondern heiraten und sich um Haus und Kinder kümmern. Es gibt Zeiten, da passt Sarah sich an, doch in ihrem Inneren brodelt es immer wieder. Sie kann sich und ihre Überzeugungen einfach nicht länger verleugnen, auch wenn die Konsequenzen, die sie dafür zu spüren bekommt, hart sind.

Sarah Grimké, die tatsächlich gelebt hat, wird sich schließlich zu einer aktiven Abolitionistin entwickeln, die sich außerdem für die Gleichstellung der Frau einsetzt. Ihre Schwierigkeiten und Rückschläge auf diesem Weg werden eindrucksvoll geschildert.

Aus Handfuls Sicht erleben wir intensiv die Leiden der Sklaven, ebenso die Arroganz der Weißen, die Sklaverei als gottgewollt ansehen und die Schwarzen nicht als Menschen akzeptieren. Für mich ist es schwer vorstellbar, wie diese Gesellschaft damals funktioniert hat, wie jemand auf die Idee kommen kann, dass ein Mensch mehr wert ist als ein anderer.

In einem Nachwort erläutert die Autorin, welche Personen und Ereignisse historisch belegt sind, und welche der dichterischen Freiheit entsprungen sind.

Fazit:
Ein absolut lesenswertes Buch, das historisch verbürgte Fakten mit Fiktion zu einem unterhaltsamen und doch kritischen Roman vermischt, der Mut macht, seiner innersten Überzeugung zu folgen und das zu tun, was man für richtig und wichtig hält.