Rezension

Vertauschte Kind?

Kärntner Wiegenlied - Andrea Nagele

Kärntner Wiegenlied
von Andrea Nagele

Bewertet mit 5 Sternen

„...Aber in unserer Gesellschaft ist für Menschen mit Problemen keine Zeit vorhanden...“

 

Rosner plagt sich seit Wochen damit herum, einen Einbrecher zu fassen. Der aber spielt mit der Polizei. Doch dann teilt ihm seine Freundin Alice mit, dass sie schwanger ist. Das gibt Rosner Hoffnung für seine private Zukunft.

In der Kinderklinik hat Helene ihren Sohn Max bekommen. Ihr Freund Sven ist Musiker und nimmt Drogen. Dass belastet Helene.Außerdem hat sie Angst, ihr Baby im Säuglingszimmer nicht wiederzuerkennen. Sie zählt immer die Betten ab. Die Marotte ist Gespräch im Schwesternzimmer. Wenige Tage später behauptet sie, das Kind, das man ihr gebracht habe, sei nicht Max. Keiner glaubt ihr. Die zuständige Säuglingsschwester, die Max kennt, hat gerade ein paar Tage Urlaub. Die anderen Schwestern haben den Jungen vorher nie gesehen.

Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Der hohe Spannungsbogen wird nicht allein durch die abwechslungsreiche Handlung und den schnellen Wechsel der beiden miteinander verknüpften Handlungsstränge erzeugt, sondern vor allem durch die psychischen Aspekte der Handlung. Ein Handlungsstrang erzählt Helenes Geschichte in der Klinik, im zweiten steht Rosner im Mittelpunkt. Er hängt bei seinen Ermittlungen fest und hat Angst um Alice und das Kind, denn es droht eine Frühgeburt. Alice, die bis zum Geburtstermin in der Klinik bleiben muss, lernt dort Helene kennen.

Der Schriftstil unterstützt das fesselnde Geschehen. Rückblicke in Helenes Vergangenheit lassen erahnen, woher ihre Ängste kommen. Der zur Hilfe gerufenen Psychiater zeichnet sich nicht gerade durch viel Kompetenz aus. Er bescheinigt Helen einen Baby-Blues oder eine Schwangerschaftsdepression. Nach einem schwerwiegenden Vorfall lässt er sie in die Psychiatrie überweisen. Keiner auf der Station ist bereit, ihr zu glauben. Als Leser hatte ich schnell den Eindruck, dass die Klinik nach der Devise handelt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Doch Helene zeigt Größe. Sie nimmt das ihrer Meinung nach fremde Kind an und kümmert sich um den Jungen.

Mit Sven, Helenes Freund, hat die Autorin ebenfalls einen Protagonisten geschaffen, der psychische Probleme hat. Er zeigt für Helene kaum Verständnis, hat aber ein erstaunlich gutes Verhältnis zu seiner Oma. Schnell wird klar, dass er eigentlich an dem Kind kein Interesse hat. Er ist nie richtig erwachsen geworden.

Der Besuch von Rosner in der Klinik reißt alte Wunden auf. Er hat (in einem Vorgängerband) schon ein Kind verloren. Allein Alice gibt ihn Halt und verhindert, dass er erneut nach der Flasche greift.

Obiges Zitat bringt die Grundaussage des Buches auf den Punkt.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeigt, wie schnell man abgestempelt wird. Gut, dass Helene eine Kämpferin ist.