Rezension

Verworrene Geschichte mit literarischem Anspruch

Idaho - Emily Ruskovich

Idaho
von Emily Ruskovich

Bewertet mit 3 Sternen

An einem heißen Sommertag im Wald gehen die Mitchells der Holzarbeit nach. Vater und Mutter schlichten das Holz auf den Pick-up, während die beiden Mädchen ausgelassen im Wald spielen. Doch dann hat die Mutter ein Beil in der Hand und von einem Moment auf den anderen ist der idyllische Tag und die Familie zerstört.

"Idaho" ist ein literarisch anmutender Roman, der in der eindrucksvollen Umgebung des amerikanisches Bundesstaates Idaho spielt. 

Ausgangspunkt der Handlung ist die Tragödie im Wald. Jenny hat ihre kleine Tochter May mit dem Beil umgebracht, woraufhin die andere Tochter June davon gelaufen ist. Vater Wade weiß sich nicht zu helfen und Jenny gesteht vor Gericht sofort ihre Schuld ein.

Anders als gedacht ist es schon fast schwierig hier Protagonisten zu definieren. Eine Hauptfigur ist Ann, die erst nach den schrecklichen Ereignissen im Wald in Wades Leben tritt. Sie ist Musiklehrerin und heiratet Wade wenige Monate danach, weil sie Wade in seiner schweren Zeit beistehen will.

Denn Wade hat neben dem blutigen Grauen seiner Familie ein weiteres tragendes Problem. Er ist an einer perfiden Form der Demenz erkrankt, sodass er schon in relativ jungen Jahren mit gröberen Aussetzern zu kämpfen hat.

Jenny ist im Gefängnis und setzt alles daran in ihrer Schuld aufzugehen. Sie begrüßt die Einzelhaft und lehnt sogar den täglichen Spaziergang im Hof ab.

Es fällt mir schwer aus dem Roman tragende Themen herauszukitzeln. Natürlich dreht sich alles um den blutigen Tag im Wald und die Versuche, die verschwundene June zu finden.

"Wie unvermittelt dieses Leben beendet worden war, wie erschreckend endgültig sämtliche Gedankenspiele hinfällig wurden. May bekam im Moment ihres Todes eine Eigenschaft, die ihre Schwester nie besaß und auch nie besitzen wird - sie wurde absolut." (S. 200)

Dennoch steht auch Wades Demenz im Vordergrund, seine unvorhergesehenen Aussetzer, in denen er sogar Ann bedroht und der Versuch, dem Vergessen entgegenzuwirken.

Weder aus dem Roman noch aus den Figuren bin ich schlau geworden. Richtig schwer habe ich mir mit Ann getan, weil ich nicht verstehe, warum sie Wade von einem Moment auf den anderen geheiratet hat. Es ist nicht so, dass sie sich liebend in die Arme gefallen sind, sondern sie hat ganz nüchtern - ohne deutliche Beweggründe - diese Entscheidung getroffen.

Erzählt wird aus unterschiedlichsten Perspektiven, was Figuren und die zeitliche Abfolge betrifft. Man begleitet nicht nur die genannten Personen, sondern hat zwischendrin auch mit ganz anderen Figuren zutun. Wades Vater kommt genauso vor, wie ein ehemaliger Schüler von Ann, deren Bezug zur Handlung für mich sehr vage und undurchsichtig ist. Zudem werden unterschiedliche Jahre - einmal ist man in den 1970er-Jahren, dann im Jahr 2025 - aufgegriffen, was mir genauso unlogisch erschienen ist.

Wahrscheinlich mangelt es mir an literarischem Feingefühl, um die Tiefe des Romans zu verstehen. Mir wäre eine weniger wortgewandte, dafür handfeste Geschichte lieber gewesen. Nichtsdestotrotz war ich gebannt und bin an den Seiten geklebt. Denn der Tag im Wald wird immer wieder durchlebt ohne dass der Mord selbst ein Thema ist.

Im Endeffekt bleibt eine verworrene Geschichte, bei der ich mir mit ihrem literarischen Anspruch schwer getan habe. Ohne Höhen und Tiefen plätschern die Ereignisse vor sich hin, fesseln nur durch ihre Undurchsichtigkeit und haben mich zu guter Letzt nicht völlig überzeugen können.

Ich kann „Idaho“ nur bedingt weiterempfehlen. Vor allem Leser, die eine eindringliche Atmosphäre mögen, einen Blick auf den Bundesstaat Idaho werfen wollen und mit nicht greifbarer Logik umgehen können, sollten es zumindest versuchen.