Rezension

Viel Blabla und nichts dahinter

Verblendung - Stieg Larsson

Verblendung
von Stieg Larsson

Bewertet mit 0.5 Sternen

Ich habe es bis ungefähr Seite 200 dieses ach so hoch gelobten Romans geschafft. Weiter werde ich nicht lesen. Eigentlich bin ich ein begeisterter Thriller-Leser und lese alles, was auch nur halbwegs spannend ist in kürzester Zeit durch - und vor allem auch fast immer alles zu Ende. Wenn ich aber - wie bei diesem Buch - für 200 Seiten einen Monat brauche und nur alle paar Tage mal Lust hatte, das Buch auch nur in die Hand zu nehmen, heißt das nur eins: Es war stinklangweilig.

Mit dem Inhalt selbst werde ich mich nicht mehr befassen, der ist so durchgekaut und mehr als das, was der Klappentext sagt, könnte ich ohnehin nicht beitragen. Denn, das betone ich noch einmal, dies ist eine Rezension über ein abgebrochenes Buch - und ja, das gestehe ich mir in diesem Fall zu, denn egal wie inhaltlich toll es noch hätte werden können, nichts hätte diese Schwächen ausgleichen können.

Was wirklich über alle Maßen schrecklich war, war der Schreibstil und die Übersetzung. Um die 200 Seiten, die ich gelesen habe, mal kurz zu beschreiben:

Person A sitzt irgendwo rum und denkt über Person B nach - und zwar über alles, was er jemals mit ihr erlebt hat. Dabei dreht er sich fünfmal im Kreis, wiederholt einen Gedanken mehrere Male, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen und vor allem NIE auf den Punkt. Damit füllt der Autor am Stück 30 Seiten. Und weils so schön ist, sinnieren zu Beginn des Buches gleich mehrere Protagonisten so vor sich hin. Ruckzuck sind 100 Seiten voll mit völlig langweiligem, irrelavanten Blabla.

Und auf den nächsten 100 Seiten wird es dann auch nicht besser. Den Dialog zwischen "Kalle" Blomkvist - dem Hauptprotagonisten - und seinem Auftraggeber Vanger kann man in etwa so zusammenfassen:
- Vanger: "Ich erzähl Ihnen jetzt, was ich von Ihnen möchte, aber ich werde ganz weit ausholen und ich möchte, dass sie bis zum Ende zuhören"
- Blomkvist: "Ja dann fangen Sie mal an, danach fahr ich eh wieder nach hause, Sie haben 30 Minuten"
- V.: "Ja, aber Sie müssen bis zum Ende zuhören"
- B.: "Ja, meinetwegen, fangen Sie an"
- V.: "Aber ich werde ganz viel erzählen und Sie sollen sich alles anhören"
- B.: "Gut, fangen Sie doch erstmal an"
- V.: "Ich muss aber wirklich gaaaaaaaaaaaaaanz weit ausholen"
- B.: "Ja, verstanden, anfangen, noch 25 Minuten"
- V.: "Ja, aber ..."
Und schon waren wieder 10 Seiten sinnlos gefüllt mit diesem Hin und Her, in dem es ja nur darum ging, dass Herr Vanger überhaupt mal anfängt zu labern. Wenn Vanger dann doch, ENDLICH, erzählt, holt er auch tatsächlich endlos weit aus - obwohl der Leser dank Prolog schon spätestens nach der Hälfte genau weiß, worauf es hinausläuft und man das Problem auch in einem Satz erklären könnte.

Also kurzum: Das Buch hätte gekürzt werden müssen. Radikal. Von den ersten 200 Seiten sind vielleicht 40 sinnvoll, brauchbar und halbwegs spannend. Der Rest hätte ersatzlos gestrichen werden können und, dass das nicht geschehen ist, ist eigentlich schon eine Verschwendung der Lebenszeit der Leser. Auch die Übersetzung hätte ruhig noch einmal überarbeitet werden können. So viele holprige Formulierungen wie in diesem Buch sind mir noch bei keinem aufgefallen. Auch, z.B., die häufige Nennung von Personen bei ihrem vollständigen Namen, also Vor- und Nachname, manchmal innerhalb weniger Zeilen, ist holprig und vervollständig meinen Eindruck von einem eher plumpen Schreibstil.

Manchmal finden sich auch Dialoge, die sinnlos erscheinen. Ein Beispiel: Der Anwalt Frode fährt Blomkvist vom Bahnhof zu Vanger. An der Tür verabscheidet er sich. Spontane Frage: Wie verabschiedet man sich von einem fast Fremden, der gerade einen Ort besucht, an dem er noch nie war? Wie wäre: "Schönen Tag noch, vielleicht sehen wir uns mal wieder"? Herr Larsson bevorzugt es aber, dieser einfachen Phrase noch eine detaillierte Beschreibung der Wohnsituation von Herrn Frode anzuhängen. Einfach so, sagt dieser etwas wie "Auf Wiedersehen, ich wohne übrigens da und da, dritte Straße rechts, gelbes Haus, zweites von hinten" ... wieder so eine völlig deplazierte Hintergrundinformation, die eigentlich die Grundsubstanz dieses Buches bilden. Hätte man allen Mist rausgestrichen, wäre es wahrscheinlich nicht mal mehr halb so dick.

Außerdem scheint Larsson das Buch noch dazu als Ventil für seine eigene Meinung über die verdammten Wirtschaftsjournalisten zu nutzen, die natürlich mit Ausnahme seines Kalle Blomkvist alle total von der Industrie manipuliert und scheiße sind...na dann. Gut, dass man das auch noch alle 50 Seiten nachlesen darf.

Ich fasse zusammen: Das Buch hat mich tiersch gelangweilt. Der Stil ist schlecht, Informationen werden an völlig unpassenden Stellen einfach mal ohne Rücksicht auf Handlung oder Situation rausgehauen, man hätte so viel rausstreichen müssen, dass nicht mehr viel übrig gebleiben sein dürfte, Wirtschaftsjournalisten sind die schlechtesten Menschen auf diesem Planeten und ein Spannungsaufbau kommt durch den gezogenen Schreibstil gar nicht zu Stande. Das einzig halbwegs spannende Kapitel war für mich der Prolog. Danach kommt der Sturzflug in die Langeweile und Irrelavanz.

Ich verstehe nicht, warum das Buch so einen Hype ausgelöst hat. Ich finde es einfach nur schlecht und schließe mit dieser Rezension meine Bemühungen ab, das Buch doch noch weiter zu lesen. Zu schade um die Zeit.