Rezension

Viel Gefühl ohne kitschig zu wirken

Ein französischer Sommer - Jessica Brockmole

Ein französischer Sommer
von Jessica Brockmole

Bewertet mit 4 Sternen

Als der Vater der fünfzehnjährigen Clare Ross verstirbt, wird diese von der Freundin ihrer Mutter, Madame Crépet, nach Frankreich geholt, denn Clares Mutter hat die Familie verlassen, als Clare elf Jahre alt war. Wir schreiben das Jahr 1911 und es ist Sommer in Frankreich, alles ist so anders, als Clare es von zu Hause kennt. Das Mädchen ist voller Trauer und auch voller Selbstzweifel, denn hätte nicht ihre Mutter eigentlich nach Hause kommen müssen, als sie vom Tod des Vaters erfuhr? Da lernt Clare Luc kennen, den achtzehnjährigen Sohn der Familie Crépet, der in Paris studiert. Luc ist voller Natürlichkeit und schafft es immer wieder Clare aus ihrem Schneckenhaus zu holen und auch letzten Endes wieder an sich zu glauben. Die Beiden verbringen einen Sommer, den sie beide niemals vergessen werden. Doch der Krieg mit all seinen Schrecken steht vor der Tür
Meine Meinung:
Das Buch beginnt sehr ruhig und langsam und man lernt zunächst die Protagonisten kennen. So konnte ich in Ruhe zusehen, wie Clare und Luc sich kennenlernen, wie sie denken und auch was sie voneinander denken. Dabei ist der Schreibstil der Autorin sehr malerisch und auch gefühlsbeton, nicht kitschig, aber man spürt die Emotionen beim Lesen sehr gut. Die Autorin fängt auch mit ihren Worten den Geist der damaligen Zeit hervorragend ein. Dadurch musste ich aber auch konzentriert bleiben, denn es ist auf jeden Fall kein Buch, das sich einfach so mal schnell nebenbei lesen läßt. Unterteilt ist der Roman in fünf größeren Abschnitten, die auch die unterschiedlichen Zeiten umfassen, das Kennenlernen der Hauptcharaktere, die Trennung der Beiden, der Krieg, die Zeit danach und letzten Endes der gute Schluss. Das Buch lebt allerdings mehr durch den Hauptaugenmerk auf seine Charaktere und deren Entwicklung und ist nicht spannungsgeladen oder voller Action. Wobei ich gerade den Abschnitt des Krieges sehr gut gelungen fand, denn dass dies die Zeit der großen Veränderung in und von Luc ist, ist unbestreitbar.

Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Form, mal gibt es Kapitel, die Clare erzählt, mal welche die Luc erzählt, es gibt aber auch Bereiche, die in Briefform gestaltet sind und dem Leser noch eine ein wenig anders anmutende Ansicht ermöglichen.

Die Charakter an für sich sind schlüssig, glaubwürdig und haben ihre Ecken und Kanten, ich hätte mir an manch einer Stelle noch ein wenig mehr gewünscht, da sie hier und da für mich persönlich ein wenig zu flach blieben. Aber alles in allem sind sie Charaktere, die den Geist der damaligen Zeit sehr gut auffangen und wiedergeben. Ich fand sie sehr authentisch und auch ihre Entwicklung nicht nur gut geschildert, sondern auch durchweg denkbar. Aber wie gesagt, auch ein wenig flach, denn gerade bei der Ich-Perspektive muss ich in der Lage sein, mich in den Charakter versetzen zu können. Das hat mir hier ein kleines bisschen gefehlt. Ich hatte eher den Eindruck, trotz der persönlicher Gedanken und Darstellung ein Zuschauer zu bleiben.
Mein Fazit:
Ein durchweg glaubwürdig erzählter Roman mit zwei Hauptfiguren, deren Entwicklung man mitverfolgen kann. Ein Buch, das nicht von Spannung und Action lebt, aber trotzdem nicht langweilig wird beim Lesen. Es fängt den Zeitgeist in Wort und Stil sehr gut ein und vermittelt durchweg eine Atmosphäre, die mich immer weiter in die Geschichte zogen. Meine größte Kritik bleibt hier bei den Charakteren, zu denen ich eher eine oberflächliche Beziehung aufgebaut habe. Hier hätte es einfach mehr Tiefe für mich geben müssen, ich hätte mir gewünscht, mehr an den Gefühlen teilnehmen zu dürfen, denn so blieb ich mehr Beobachter des ganzen. Aber es gibt von mir eine Leseempfehlung für alle, die gefühlvolle, historische Romane mögen.