Rezension

Viel Geschrei, wenig Sympathien

Die Auserwählten - Im Labyrinth - James Dashner

Die Auserwählten - Im Labyrinth
von James Dashner

Klappentext:
Er heißt Thomas. An mehr kann er sich nicht erinnern. Und er ist an einem seltsam bizarren Ort gelandet – einer Lichtung, umgeben von einem riesigen Labyrinth, in dem mörderische Kreaturen lauern. Gemeinsam mit fünfzig anderen Jungen sucht Thomas den Weg in die Freiheit. Doch dafür bleibt ihnen nicht viel Zeit...

Einordnung:
- Im Labyrinth (Teil 1)
- In der Brandwüste (Teil 2)
- In der Todeszone (Teil 3)

Rezension:
Ich war wirklich gespannt auf das Buch, weil der Trailer zur Verfilmung mich echt neugierig gemacht hat. Leider muss ich sagen, dass mich das Buch dann doch etwas enttäuscht hat. Schon am Anfang hatte ich Probleme, in die Geschichte hinein zu finden. Thomas wird mit einem Aufzug hinauf auf eine Lichtung gefahren, wo ihn fünfzig andere Jungen erwarten. Niemand erklärt ihm, was los ist, alle starren ihn nur an. Und Thomas kann sich an nichts mehr erinnern – außer an seinen Namen.
Dass jeder in dieser Situation verwirrt ist, vielleicht auch ängstlich und ein wenig zornig darüber, von niemandem Antworten zu bekommen, kann ich verstehen. Doch Thomas hat so extrem schnelle Stimmungsschwankungen als wäre er schwanger. Im einen Moment ist er noch ängstlich, dann ist er plötzlich wütend, aus unerklärlichen Gründen tiefenentspannt, auf einmal unendlich neugierig, aus heiterem Himmel ziemlich aggressiv, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.
All diese Stimmungsschwankungen kommen ganz plötzlich, passen häufig gar nicht in die Situation und seltsamerweise kann sich Thomas auch nie erklären, warum er plötzlich so fühlt. Und an seiner Verwirrung – von der nie die Rede ist – kann es auch nicht liegen, weil seine Bestimmung ihm ganz plötzlich nebenbei einfällt und ihn mit Gelassenheit erfüllt. Ich bemühe mich immer, mich in die Protagonisten hinein zu fühlen, aber bei Thomas war das so anstrengend, dass ich es dann einfach gelassen habe.

Das ist möglicherweise auch ein Grund dafür, warum ich mit ihm bis zum Schluss nicht warm geworden bin. Er, seine Gedanken und seine Handlungen sind mir über viele Szenen hinweg einfach suspekt gewesen. Ich konnte keinerlei Bindung zu ihm aufbauen, sodass ich in den entscheidenden Szenen auch nicht mit ihm fürchten, leiden und trauern konnte.
Glücklicherweise gibt es in Minho und Newt zwei Nebencharaktere, die große Rollen spielen und mir sehr sympathisch sind. Mit Newt freundet sich Thomas ziemlich bald an, nachdem er auf der Lichtung gelandet ist. Er ist, neben Alby, der stellvertretende Anführer der Jungen und erledigt diese Aufgabe mit Bravour. Sein diplomatisches Geschick ist beeindruckend und er schafft es wirklich, fünfzig erinnerungslose Jungen zu einer funktionierenden Einheit zusammen zu halten, in der jeder seine Aufgabe hat und ihr gewissenhaft nachgeht. Das ist besonders deshalb wichtig, weil die Jungen zum Großteil Selbstversorger sind. Auf der Lichtung gibt es Obst- und Gemüsegärten ebenso wie einen Bauernhof mit Tieren und einem Schlachthaus. Würde sich niemand darum kümmern, würden sie vermutlich alle verhungern.
Minho erfüllt mit seiner Rolle als Hüter der Läufer eine ebenso wichtige Aufgabe. Die Läufer sind diejenigen Jungen, die jeden Tag durch das Labyrinth rennen und nach einem Ausgang suchen. Als ihr Hüter ist Minho der Anführer dieser Gruppe und bestimmt mit der Ernennung von Läufern die einzigen Personen, die das Labyrinth betreten dürfen. Seine schonungslose Ehrlichkeit macht ihm zwar nicht nur Freunde, doch gerade deshalb hatte ich das Gefühl, ihm vollkommen vertrauen zu können – eine wahre Seltenheit in diesem Buch.

Die Geschichte hat jedoch durchaus auch ihre positiven Seiten. Zunächst einmal war ich sehr neugierig, was es mit dem Labyrinth auf sich hat und warum die Jungen darin eingeschlossen sind. Zwar war von Anfang an deutlich, dass es sich um ein dystopisches Buch handelt, allein schon wegen der futuristischen Monster, die nachts durch das Labyrinth wandeln und jeden töten, der sich darin aufhält, weil er es nicht rechtzeitig zurück auf die Lichtung geschafft hat – oder verbannt wurde. Doch es ist lange Zeit ein Rätsel, warum die Jungen ihr Gedächtnis verloren haben und weshalb sie auf der Lichtung gefangen sind. Immer wieder geschehen Dinge, die andere Mutmaßungen erlauben. Beispielsweise wird die Lichtung von elektronischen Wesen, genannt Käferklingen, überwacht. Es könnte daher zur Belustigung anderer Menschen außerhalb dienen. Doch die Medizin, die denjenigen verabreicht wird, die im Labyrinth von den Monstern verletzt werden, bringt teilweise ihre Erinnerungen zurück – Erinnerungen an eine schreckliche Welt außerhalb des Labyrinths. So stellt sich die Frage, ob die Jungen möglicherweise vor der Welt gerettet wurden oder ob sie auf dieser Lichtung unter Quarantäne stehen und die Monster ihre Bewacher sind.

Die einzige unmittelbare Gefahr, die sich für die Jungen ergibt, sind diese Monster. Da keines von ihnen jemals auf die Lichtung gekommen ist, besteht die Gefahr nur im Labyrinth. Somit wird es spannend, als sich Thomas im Labyrinth befindet. An dieser Stelle zeigen sich sein Mut und sein gutes Herz. In Gefahrensituationen ist er viel ruhiger, konzentrierter und angenehmer zu ertragen. Die Spannung kommt daher deutlich rüber und ich bin so durch die Seiten gehetzt wie Thomas durch das Labyrinth gerannt ist. Und immer bleibt die Frage, ob die Sache gut ausgeht, denn natürlich ist Thomas nicht allein und es ist keine Seltenheit, dass im Labyrinth jemand zu Tode kommt. Dieses erste Mal, dass sich Thomas im Labyrinth befindet, hat mir erst richtig in die Geschichte geholfen – nach einem Drittel des Buches erst, aber dafür war die Spannung umso extremer.

Nicht in meine Wertung eingegangen ist meine Kritik an der Übersetzung, schließlich kann der Autor nichts dafür, trotzdem möchte ich sie an dieser Stelle kurz erwähnen. Es ist verständlich, dass es unter so vielen Jugendlichen lauter und ungehobelter zugeht, allerdings ist mir insbesondere am Anfang aufgefallen, dass ständig herumgeschrien wird. In einer ganz normalen Unterhaltung schreien sich die Leute plötzlich an, wenn jemand eine Nachricht überbringt, schreit er sie, obwohl er direkt neben dem Empfänger steht, in absolut ruhigen, entspannten Momenten ohne jegliche Diskussion werden zwischenzeitlich immer wieder Sätze geschrien. Und jedes Mal steht in der deutschen Version „schreien“ dort. Ich habe mir zur Kontrolle die englische Version angeschaut und muss sagen, dass da erstens seltener herumgeschrien wird, zweitens aber auch viele Synonyme für „scream“ benutzt werden wie „yell“ oder „shout“. Das Geschrei wäre im Deutschen erträglicher gewesen, wenn sich die Wortwiederholungen nicht so extrem gehäuft hätten.

Fazit:
Das Buch konnte meinen Erwartungen nicht entsprechen. Ich habe erst nach einem Drittel überhaupt in die Geschichte hinein gefunden und bin mit dem Protagonisten, Thomas, bis zum Schluss nicht warm geworden. Trotz allem kommt in der Geschichte auch Spannung auf und die wichtigsten Nebencharaktere sind sehr sympathisch. Alles in allem gefällt mir die Idee hinter dieser Dystopie, die Umsetzung trifft meinen Geschmack aber nicht besonders. Daher bekommt „Die Auserwählten – Im Labyrinth“ nur drei Schreibfedern von mir.