Rezension

Viel mehr als nur eine Liebesgeschichte

Vom Winde verweht
von Margaret Mitchell

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn man sich auf meinem Blog umschaut, braucht man nicht lange, um festzustellen, dass Klassiker nicht ganz so meins sind. Doch einer stand schon eine Weile auf meiner to-read-Liste. Die Geschichte rund um Scarlett O’Hara und Rhett Butler sollte einfach einmal im Leben gelesen werden. Und nicht nur, weil sich dieses Buch einfach auf jeder Liste aus dem Internet findet, auf der irgendwelche Bücher aufgereiht sind, die man eben vor dem Tod gelesen haben sollte. Doch dieses Buch lohnt sich zudem auch wirklich.

Die junge Scarlett O’Hara ist es gewohnt, dass die Welt sich um sie dreht. Die Jungs reißen sich darum, auf den Bällen mit ihr zu tanzen und beim Essen neben ihr sitzen zu dürfen. Ihren Vater kann sie ebenfalls mit Leichtigkeit um den Finger wickeln und die Schwarzen auf der Baumwollplantage scheucht sie nach Belieben durch die Gegend. Genervt ist sie nur von dem ständigen Geschwätz der Männer vom Krieg, der scheinbar kurz bevorsteht. Für Scarlett ist ein möglicher Krieg weit weg. Bis zu dem Tag, an dem plötzlich tatsächlich zu den Waffen gerufen wird.

Scarlett landet dann in Atlanta bei Verwandten, gemeinsam mit Melanie. Ausgerechnet mit der Frau, die mit ihrem geliebten Ashley verheiratet ist. Und plötzlich ist das Leben nicht mehr so wie sie es kannte. Nachdem sie aus Trotz heraus einen Mann geheiratet hatte, der direkt zu Beginn des Krieges fällt, muss sie ihr Dasein fortan als Witwe fristen. Bunte Kleider sind tabu, genauso wie Tanz und Gesellschaft. Doch auch wenn die junge Halb-Irin es nicht für möglich gehalten hat, kommt es noch schlimmer. Plötzlich leidet sie Hunger und das kennt sie gar nicht.

Die Geschichte der Scarlett O’Hara wird wahrscheinlich allgemein bekannt sein. Viele kennen den Film (den ich übrigens auch noch nicht gesehen habe). Bevor ich zum Buch gegriffen habe, dachte ich immer, dass es sich bei Vom Winde verweht um eine unglaublich kitschige Liebesgeschichte handelt, in der das Liebespaar durch äußere Widrigkeiten immer wieder voneinander getrennt wird. Und Scarlett und Rhett sind tatsächlich zum Großteil des Buches getrennt, doch es kam ganz anders als ich dachte.

Margaret Mitchell hat einen Epos geschrieben! Über ein Jahrzehnt hinweg begleitet man Scarlett, die von einem jungen sprunghaften Mädchen zu einer starken Frau heranreift. Man ist quasi hautnah dabei, wie sie den ersten Mann im Krieg verliert, den zweiten bei einer nächtlichen Aktion des Ku-Klux-Clans, den dritten auf wahrscheinlich tragischste Weise und drei Kinder bekommt. All das mit dem Hintergrund eines Bürgerkrieges, der mal mehr mal weniger ihr Leben bestimmt. Scarlett erlebt gemeinsam mit dem Leser Freude und Leid, Trauer und Hoffnung, Liebe und Zurückweisung.

Mitchells Schreibstil ist einzigartig. Über 1000 Seiten widmet sie der Südstaatlerin und den Menschen in ihrer Umgebung. Und dabei war es nicht ein einziges Mal langweilig. Und das obwohl an vielen Stellen die Handlung etwas stehen bleibt und Margaret Mitchell die äußeren Umstände betrachtet und dem Leser näher bringt. Immer wieder spielt auch die Gesellschaft, die sich nach dem Krieg bildet eine Rolle oder auch einige politische Umstände fließen in die Geschichte mit ein. Dadurch verfolgt man nicht nur die eigentliche Geschichte, denn die eigentliche Handlung wird in ein Gesamtbild eingebaut, was der Autorin unglaublich gut gelungen ist.

Scarlett O’Hara ist wohl das selbstsüchtigste Wesen, das jemals unter Gottes Sonne gewandelt ist. Sie denkt immer zuerst an sich, kann mit dem Begriff der ‚Nächstenliebe‘ so gar nichts anfangen und erst, wenn es ihr gut geht, denkt sie an ihre Handlungen und deren Auswirkungen. Und trotzdem fesselt einen die Geschichte von Vom Winde verweht. Das Buch beleuchtet vielleicht nicht alle Seiten eines Problems, doch es zeigt Probleme und Konflikte auf. Definitiv ein Buch, das man lesen sollte.

 

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