Rezension

Viel Potenzial verschenkt

Das Mädchen im Strom - Sabine Bode

Das Mädchen im Strom
von Sabine Bode

Bewertet mit 3 Sternen

~~Inhalt:

Gudrun Samuel ist Jüdin und Deutsche - keine gute Kombination, wenn man in den 1920ern aufwächst und schließlich Hitlers Machtergreifung und den Nationalsozialismus hautnah miterlebt. Nach einer unbeschwerten Jugend bekommen Gudrun und ihre Familie mehr und mehr die Zwänge des neuen Regimes zu spüren, bis es so schlimm ist, dass Gudrun im Gefängnis landet. Nach ihrer Entlassung kann sie die Flucht ergreifen, muss ihre Familie, Freunde und Heimat hinter sich lassen und emigriert nach Shanghai, wo sie mehrere Jahre im Exil verbringt. Auf abenteuerlichen Wegen gelangt sie schließlich zurück nach Europa und letztlich auch nach Deutschland, wo sich der Kreis schließt.

Meinung:

Klingt die Inhaltsangabe vielleicht ein wenig sachlich, berichtartig? Ist sie auch, und leider trifft dies auch auf das gesamte Buch zu. Der Leser begleitet Gudrun auf ihrem Lebens- und Leidensweg: durch eine behütete und gleichzeitig freie Kinder- und Jugendzeit inklusive flammender Jugendliebe, durch die Anfänge der Nazidiktatur und der Repressalien sowie schließlich auf ihrem Weg nach Shanghai und ihr dortiges Leben. Das Buch liest sich streckenweise wie ein Bericht; die Figuren, selbst Protagonistin Gudrun, bleiben seltsam distanziert, wecken keine echten Gefühle im Leser. Alle Lebensstationen werden "abgehakt", wichtige Ereignisse nur am Rande erwähnt. Was fehlt, sind Reflexionen. Ich habe so oft mal ein Innehalten vermisst, Momente, in denen ich als Leser direkt zu den Figuren und ihrem Innersten geführt werde. Leider Fehlanzeige.

Schlecht ist das Buch nicht, im Gegenteil bietet es Einblicke in ein Kapitel aus der Nazizeit, das ich so noch nicht kannte: Das Exil in Shanghai, ein Ort, an den viele Juden geflohen sind, als die bekannteren Exilländer keine Flüchtlinge mehr aufgenommen haben. Dieser Teil war sehr interessant zu lesen, er brachte sowohl viele neue Informationen als auch einen Hauch Exotik. Doch letztlich las sich das Buch auch hier oft eher nüchtern.

Auch Gudrun konnte mich leider nicht für sich einnehmen. Oftmals handelte sie für mich unverständlich, teilweise recht leichtlebig und egoistisch; vor allem hatte sie aber oft mehr Glück als Verstand, für sie glückliche Zufälle häuften sich und viele ernste Angelegenheiten tat sie mt einem Schulterzucken ab. Das war alles nicht so mein Fall.

Fazit:

Das Buch befasst sich mit einem eher selten gesehen Thema in der Literaturlandschaft: der Migration jüdischer Flüchtlinge ins entfernte China und damit, wie sie sich dort ein Leben aufgebaut haben. Auch die Vergangenheitsbewältigung emigrierter Juden findet ihren Platz, jedoch wird alles sehr distanziert und oftmals nüchtern erzählt, so dass eine echte Identifikation mit den handelnden Figuren sehr erschwert wird.

3 von 5 Sternen