Rezension

Vielschichtig, aber teils zäh

His Dark Materials: Über den wilden Fluss
von Philip Pullman

Bewertet mit 4 Sternen

Da die His Dark Materials Trilogie von Philip Pullman zu meinen absoluten Lieblingsreihen gehört, habe ich mich riesig darüber gefreut, endlich etwas Neues aus der wundervollen Welt der Daemonen zu lesen zu bekommen.

Malcolm ist 11 Jahre alt und lebt mit seinen Eltern in Oxford. Dort betreiben sie einen Gasthof, in dem auch Malcolm regelmäßig mithilft. Außerdem hilft er manchmal den Nonnen im Kloster mit Allem, was so anfällt. Als die Nonnen dort eines Tages ein Baby aufnehmen, schließt Malcolm die kleine Lyra sofort in sein Herz und will sie um jeden Preis beschützen. Dass dies wirklich nötig ist, erschließt sich Malcolm ziemlich schnell, denn einige Menschen scheinen es auf die kleine Lyra abgesehen zu haben. Doch warum?

Das Buch stellt zwar eine Vorgeschichte dar, aber dennoch wäre es wohl von Vorteil wenn man die ursprüngliche Trilogie kennt, da der Autor doch einiges voraussetzt. Aber man kann wohl auch mit diesem Buch starten und würde dennoch verstehen, worum es geht.

Philip Pullmans Schreibstil ist zwar flüssig und locker zu lesen aber auch sehr bildhaft und es sind viele lange Beschreibungen enthalten. Dadurch sind manche Szenen doch etwas langweilig. Besonders die erste Hälfte des Buches empfand ich als zäh. Aber der Autor versteckt auch viele Andeutungen und Details zwischen den Zeilen, die jüngeren Lesern wohl noch entgehen werden, die für mich aber den besonderen Reiz der Geschichte ausmachen. Später nimmt die Geschichte richtig Fahrt auf, wird immer phantasievoller und phantastischer und es gibt ständig Neues zu entdecken.
Das Buch ist sehr vielschichtig und nur nach und nach deckt man neue Puzzlestücke gemeinsam mit Malcolm auf und erhält langsam ein Gesamtbild. Dazu trägt auch bei, dass der Großteil der Szenen aus der Sicht von Malcolm erzählt wird, es aber auch einzelne Szenen aus der Sicht von anderen Charakteren erzählt werden. So erhält man ein umfassenderes Bild und alles erscheint logischer.

Wunderbar eingefangen wird auch die junge und teils naive aber auch reife und verantwortungsbewusste Sichtweise von Malcolm. Er ist ein außergewöhnlicher und cleverer Junge, der fleißig arbeitet und eine gute Beobachtungs- und Kombinationsgabe hat. Man muss ihn einfach in sein Herz schließen.

Die übrigen Charaktere sind ebenfalls sehr facettenreich gestaltet und bilden einen bunten Haufen aus Nonnen und Gelehrten, Kindern, einfachen Leuten und vielen mehr. Alle handeln nachvollziehbar und logisch und es gibt auch die eine oder andere Entwicklung, die mir gut gefallen hat. Der Antagonist ist sehr speziell und man entwickelt schnell eine starke Abneigung gegen ihn, auch wenn man seine Motive schwer durchschauen kann. Dennoch fand ich ihn faszinierend.

Die Welt der His Dark Materials Reihe ist toll und ich verliebe mich jedes Mal aufs Neue in die Daemonen. Diese treten in Tierform auf, die "ihren" Menschen dauerhaft begleiten und gewissermaßen deren Seelen- und Gefühlszustand darstellen. Bei Kindern wechselt der Daemon regelmäßig seine Gestalt, bei Erwachsenen hat der Daemon eine dauerhafte Tiergestalt angenommen.

Ein wichtiges Thema stellt auch in diesem Buch die Rolle der Kirche und Religion im Kontrast zur Wissenschaft dar. Somit denkt man als Leser auch direkt an Überschneidungen zu unserer Realität nach. Man muss unweigerlich selbst über das Thema nachdenken.

Fazit:
Tolle Charaktere und ein grandioser Schreibstil machen das Buch zu etwas ganz Besonderem. Trotz einiger Längen ist die Handlung spannend und abwechslungsreich und bewegt sich auf vielen verschiedenen Ebenen.