Rezension

Vielschichtig, lohnenswert und laut im positivsten Sinne

Die Schönheitskönigin von Jerusalem
von Sarit Yishai-Levi

Bewertet mit 4.5 Sternen

Irgendwie hat mich dieses Buch angesprochen. Ich kann nicht genau sagen, ob es das Cover war oder der Klappentext oder beides...ich wollte es einfach lesen. Am Anfang war ich noch ein wenig skeptisch ob der Seitenzahl, ein ich-lese-es-mal-fix-Buch ist "Die Schönheitskönigin von Jerusalem" definitiv nicht! Auch muss man sich auf den kulturellen Kontext des Buches einlassen (wollen). Wenn ich mich in meinem Leben auch schon das ein oder andere mal mit der jüdischen Kultur beschäftigt habe, die verschiedenen Richtungen, Bräuche, sprachlichen Besonderheiten etc. sind mir durchaus nicht geläufig. Daran musste ich mich ein wenig gewöhnen, doch das ging recht fix.

Dann hat das Buch mich überzeugt. Ich habe die Familie Ermoza gerne auf ihrer Reise durch die Generationen begleite, war gespannt, was hinter der nächsten Ecke an Geheimnissen auf mich wartet, wie die ganzen Ereignisse miteinander zusammenhängen und sich verknüpfen. Bei der Familie Ermoza geht es teilweise so laut, gesprächig und emotional zu, dass ich manchmal das Gefühl hatte, dass ich auch angeschrieben werde von Oma Rosa oder Luna, selbst, wenn ich das Buch schon seit Stunden nicht mehr in der Hand hatte. Einige der spaniolischen Begriffe bekomme ich immer noch nicht aus dem Kopf, besonders die Kosewörter.

Die geschichtlichen Hintergründe haben es mir allerdings manchmal ein wenig schwer gemacht. Da habe ich doch das ein oder andere Mal das Handy in die Hand genommen und eine bestimmte Gruppe oder eine Person gegoogelt, um die Hintergründe zu verstehen und richtig einordnen zu können. Aber das ist, denke ich, normal, wenn man sich mit einer anderen und fremden Kultur beschäftigt. Das hat dem Leseprozess für mich also keinen Abbruch getan.

Im Großen und Ganzen finde ich "Die Schönheitskönigin von Jerusalem" ein überaus gelungenes und vielschichtiges Buch. Man kann es als Familiengeschichte lesen (wenn auch definitiv auf einem anderen Niveau als z.B. eine Lucinda Riley), man kann in diesem Buch aber auch eine kleine Gesellschaftsstudie sehen, ein Art schön aufgemachtes Lehrbuch über eine (möglicherweise) fremde Kultur - aber vor allem ist es ein wirklich lesenswertes Buch, dessen Seitenanzahl einen Leser nicht abschrecken sollte. Vielmehr sollte man seinen Emotionen freie Bahn lassen und sich kopfüber in das Chaos der Familie Ermoza hineinstürzen.