Rezension

Vielschichtig, spannend und ein ungeheures Lesevergnügen...

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Joël Dicker

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
von Joël Dicker

Bewertet mit 5 Sternen

Die literarische Sensation 2012 - jetzt endlich auch auf Deutsch! 33 Jahre nachdem Nola spurlos verschwand, taucht sie wieder auf. Als Skelett im Garten ihres einstigen Geliebten, dem hochangesehenen Schriftsteller Harry Quebert ... Raffiniert, anspielungsreich und spannend.

"Ein gutes Buch lässt sich nicht allein an seinen letzten Worten bemessen, sondern an der Gesamtwirkung aller vorausgegangenen Worte, Marcus. Ungefähr eine halbe Sekunde nachdem der Leser mit Ihrem Buch fertig ist, nachdem er das letzte Wort gelesen hat, muss er spüren, wie ihn ein starkes Gefühl überkommt. Er muss einen Moment lang an nichts anderes denken als an das, was er gerade gelesen hat, und den Einband mit einem Lächeln, aber auch mit einer Spur von Traurigkeit betrachten, weil ihm alle Figuren fehlen werden. Ein gutes Buch, Marcus, ist ein Buch, bei dem man bedauert, dass man es ausgelesen hat." (Nachwort)

Der 30jährige Marcus Goldman ist ein gefeierter Autor. Bereits sein erstes Buch hat sich eine Million mal verkauft, doch nun hat er eine Schreibblockade, obwohl der Abgabetermin seines neuen Romans unaufhaltsam näher rückt. In seiner Verzweiflung wendet er sich an seinen ehemaligen Professor und Freund Harry Quebert, dem einst mit seinem Buch "Der Ursprung des Übels" der überraschende Sprung auf die Bestsellerlisten gelang. Sein alter Mentor bietet Goldman an, ihn in seinem Haus am Meer zu besuchen und zur Ruhe zu kommen - dadurch erhofft er sich, neue Inspiration und Motivation zu erhalten.
Doch plötzlich gerät Harry Quebert unversehens selbst in Bedrängnis. Bei Gartenarbeiten auf seinem Grundstück werden die sterblichen Überreste der 15jährigen Nola Kellergan entdeckt, die vor 33 Jahren plötzlich verschwunden war. Als bei der Leiche das Manuskript seines erfolgreichen Romans entdeckt wird und sich zudem herausstellt, dass er seinerzeit als 34Jähriger ein Verhältnis mit diesem Mädchen hatte, ist der Skandal perfekt. Harry Quebert droht die Todesstrafe!

Doch was geschah wirklich im Jahr 1975?
Marcus Goldman beschließt, in der Vergangenheit zu forschen und die Wahrheit herauszufinden. Dreh- und Angelpunkt ist die Liebesgeschichte zwischen Harry Quebert und der 15jährigen Nola, die im Laufe des Romans an immer neuen Facetten hinzugewinnt. Dabei entpuppen sich immer neue Geheimnisse, viele Bewohner kämpfen mit ihren eigenen Dämonen, manch einer möchte die Vergangenheit auch lieber ruhen lassen. Das beschauliche Nest Aurora wird wachgerüttelt durch die Nachforschungen Goldmans, und allmählich erkennt er: dies ist der Stoff für sein neues Buch.

Eine gelungene Buch-in-Buch-Inszenierung präsentiert uns Joël Dicker hier, wobei die einzelnen Szenen passend ineinander greifen. Der Autor nimmt sich viel Zeit, um ein Bild von Aurora und seinen Bewohnern entstehen zu lassen, das einem phasenweise das Gefühl vermittelt, einen Film zu sehen. In angenehm flüssigem Schreibstil wechselt das Buch immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit, untermalt durch Ausschnitte aus den Büchern Queberts und Goldmans und mit einer Einleitung jeden Kapitels durch einen der Tipps, die der Professor einst seinem Studenten vermittelte, um ihn zu einem guten Schriftsteller zu machen.
Das Buch hat mich erstaunt mit seinen nicht enden wollenden Wendungen - immer wenn sich etwas vermeintlich schlüssig erschloss, gab es wieder eine neue Erkenntnis, die die Geschichte in eine gänzlich andere Richtung trieb. Dabei schuf die liebevolle Inszenierung der Orte und Charaktere ein unglaublich angenehmes Lesegefühl - durchzogen von Spannung, Berührung und Humor. Joël Dicker lässt es sich sogar nicht nehmen, die Bestseller-Manie der Verlagswelt zu parodieren, wozu manche Gespräche zwischen Goldman und seinem New Yorker Verleger Anlass bieten.

Krimi und Liebesgeschichte in einer idyllischen Umgebung Neu-Englands, überzogen von einem Hauch von Twin Peaks - und das in einem überzeugend ungewöhnlichen Konzept.
Um auf das Nachwort zurückzukommen, das ich dieser Rezension vorangestellt habe: schon jetzt trauere ich den Figuren nach, ja, sie werden mir fehlen. Und ich bedauere es, dass das Buch ausgelesen ist.

Von mir erhält das Buch den Favoritenstatus und eine unbedingte Leseempfehlung!

© Parden

Auf unserem Blog gibt es neben der Rezension und einigen Bildern auch ein interessantes Interview mit dem Autor, inszeniert vom Piper-Verlag.

http://litterae-artesque.blogspot.de/2013/10/dicker-joel-die-wahrheit-ub...