Rezension

Vielschichtiger Roman über Schuld und Vergebung

Bis ans Ende der Geschichte
von Jodi Picoult

Ich bin ein großer Fan der Romane von Jodi Picoult. Immer wieder greift sie spannende Themen auf, die moralische Fragen aufwerfen. Als Leser taucht man in ihre Geschichten ein, wird eins mit den Protagonisten und fragt sich immer wieder „Wie würde ich handeln?“.

Bei „Bis ans Ende der Geschichte“ brauchte ich ein wenig, um mich in die Handlung einzufinden. Anfangs habe ich die ständigen Perspektivwechsel, die charakteristisch für Jodi Picoults Romane sind, vermisst. Diese sind allerdings auch hier vorhanden, nur wechseln sie nicht ganz so regelmäßig wie in den Vorgängerromanen. Unterteilt ist die Geschichte in drei große Teile, in denen die Perspektivwechsel durch unterschiedliche Schriftarten deutlich gemacht werden. Im Zentrum der Geschichte steht die junge Bäckerin Sage, in deren Lebens- und Familiengeschichte Jodi Picoult einige schwierige Themen wie Nationalsozialismus, Schuld, Vergebung, Selbstweifel und natürlich auch Liebe verarbeitet. Gerade mit der Verarbeitung der Geschehnisse im 2. Weltkrieg betritt die Autorin neues Terrain, auf dem man sich leicht angreifbar macht. Ihr gelingt jedoch eine ausgezeichnet recherchierte, authentische und vielseitige Schilderung des Holocausts, die sowohl Opfer als auch Täter in den Mittelpunkt rückt und zeigt, dass es manchmal gar nicht einfach ist zu entscheiden wer Opfer und wer Täter ist.

Während vor allem die Abschnitte über die NS-Zeit zum Teil sehr bedrückend und ergreifend sind, verleihen die Kapitel über Sages aktuelle Lebenssituation bedingt durch eine Liebesromanze, die hier eine größere Rolle spielt, dem Roman die nötige Leichtigkeit, um das Buch am Ende zufrieden und nicht zutiefst deprimiert zuklappen zu können. Warum zutiefst deprimiert? Weil Jodi Picoult in einem von ihr gewohnt emotionalen und sensiblen Schreibstil die Grausamkeiten der NS-Zeit in vielen schrecklichen Details schildert, die nur schwer verdaulich sind. Mich hat dieser Erzählstrang oft an den Film „Schindlers Liste“ erinnert, da sich einige Aspekte überschneiden. Vor allem die Frage nach dem „Ist ein Mensch nur gut oder nur schlecht?“ spielt sowohl im Film als auch in diesem Roman eine zentrale Rolle.

Jodi Picoults Figuren sind sehr ausdifferenzierte und vielschichtige Charaktere, die nicht einfach zu durchschauen sind und eben dadurch so real wirken. Als Leser fällt es leicht sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen über Fragen von Schuld, Vergebung und Moral zu grübeln.

Der Spannungsbogen wird trotz der knapp 600 Seiten kontinuierlich aufrecht erhalten – nicht zuletzt durch die wechselnden Perspektiven und unvorhersehbare Wendungen fliegt man förmlich durch die Seiten. Trotz all dieser positiven Aspekte hat mich der Roman nicht restlos von sich überzeugt, was sich schwer begründen lässt, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Es gab jedenfalls einen Erzählstrang, der eine fantasievolle Geschichte beinhaltete, die mich mehr verwirrt als gut unterhalten hat, weshalb ich einen Punkt von der maximalen Punktezahl abziehen muss.

Mein Fazit: Wieder einmal gelingt es Jodi Picoult eine bewegende Geschichte über moralische Dilemmata zu verfassen, die keinen Leser kalt lässt. Mit einem Schwerpunkt auf den Geschehnissen des Holocausts begibt sich die Autorin dieses Mal auf gewagtes Terrain, überzeugt aber durch eine vielseitige und sensible Schilderung der Ereignisse, die sie mit einer leichten Liebesromanze kombiniert. „Bis ans Ende der Geschichte“ ist genau die richtige Lektüre für graue Herbsttage!