Rezension

Vier Frauen

Die Witwen - Dagmar Leupold

Die Witwen
von Dagmar Leupold

Bewertet mit 5 Sternen

Vier Frauen, "nicht mehr jung, aber längst nicht alt", begeben sich auf eine Reise. Als Begleitung suchen sie sich einen Chauffeur, der sich in die Reiseplanung einbringen darf.
In ihrem behüteten Wohnort Steinbronn fühlen die Damen sich "einsam", "ratlos", "irgendwie übrig". Also fassen sie gemeinsam den Beschluss: "Wir haben Heimweh nach etwas, das wir nicht kennen. Also müssen wir es suchen." 
Auch ihr Fahrer freundet sich schnell mit seiner neuen Rolle an. "Auf der Reise mit vier Jahreszeiten, vier Temperamenten, vier Elementen. Kann nicht verkehrt sein." Er ist derjenige, der sie insgeheim als "Witwen" bezeichnet, ohne dass ihnen "die Männer weggestorben" wären. "Aber es schwang etwas bei ihnen mit, das ihm zu benennen schwerfiel, außer mit: verwitwet. Als hinge allen eine zarte Schleppe aus Trauer und Abgelebtem an." In dieser Hinsicht jedoch fühlt er sich mit ihnen verbunden, empfindet sein Leben als "Witwenschaft als Abwesenheit von Zukunft, Witwenschaft als Zustand der Abhandenheit."
Während der Hahn im Korb eher Zurückhaltung übt und seine Gedanken in einem Tagebuch festhält, kommt es zwischen den Freundinnen zu einem regen Austausch. Trotz ihrer Vertrautheit, sie kennen sich seit der Einschulung, hat jede noch Geheimnisse aus ihrem Leben parat, die den anderen zuvor vorenthalten wurden. Und so sind es die kleinen menschlichen Verirrungen, die zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen, die der Suche nach dem tieferen Sinn einen Auslöser gaben und den Leser fesseln können.
Sprachlich ist dieses Buch ein Feuerwerk, ein Spektakel, das alles auffährt, was die Trickkiste zu bieten hat. Nicht nur die Beschreibungen der Autorin, auch die Aussprüche der Protagonisten sind höchst eloquent und werden entsprechend reflektiert. "Ihre Formulierungen, liebe Penelope, wickeln noch das Sperrigste ein wie in Geschenkpapier." Etwas Konzentration vorausgesetzt, ist dieser Roman ein Höhepunkt für jeden Sprachliebhaber.