Rezension

Vom Alltag und vom (nicht?) Aufgeben

Die Liebe ist ein schlechter Verlierer - Katie Marsh

Die Liebe ist ein schlechter Verlierer
von Katie Marsh

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Die Liebe ist ein schlechter Verlierer" ist ein toller Roman, der in unaufgeregter Weise darstellt, was passiert, wenn es im alltäglichen Leben aufregend wird.

Als ich begann, diesen Roman Katie Marshs zu lesen, hatte ich mich auf einen herzzerreissenden Kitschroman eingestellt; schnell war ich überrascht ob der "Nüchternheit" der Erzählung, die doch immer glaubwürdig bleibt und sich niemals in Sentimentalitäten verliert. 
Im Mittelpunkt des Romans steht die Lehrerin Hannah, die fest entschlossen ist, sich offiziell von ihrem Mann zu trennen und nach Afrika zu gehen, um dort als Lehrerin zu arbeiten. Doch ehe Hannah ihren Mann vor vollendete Tatsachen stellen kann, erleidet dieser unerwartet einen Schlaganfall und Hannah sieht sich in der Pflicht, sich um ihn zu kümmern. Immerhin ist er ihr Ehemann, auch wenn die Ehe zuletzt nur noch auf dem Papier bestand und man hauptsächlich nebeneinander aneinander vorbei lebte. Aber "Pflichtbewusstsein" ist kaum ein Argument für den Erhalt einer unglücklichen Ehe?!
Tom weiss, dass Hannah sich mit ihm nicht mehr so wohlfühlt wie früher, aber nichtsdestotrotz führen sie in seinen Augen doch ein gutes Leben und für ihn hat diese Ehe eine Zukunft, auch wenn er unsicher ist, wie er Hannah entgegenkommen kann - und nach seinem Schlaganfall ist er sicher, Hannah nicht mehr entgegenkommen zu können, denn nun ist er ständig auf Hilfe angewiesen und will doch keine Belastung sein ...
Die Basis von "Die Liebe ist ein schlechter Verlierer" ist also tragisch, aber authentisch: Ein Schlaganfall kündigt sich selten an, auch in noch jüngeren Jahren ist man nicht vor einem solchen gefeit und schon gar nicht stellen Krankheiten sich lediglich dann ein, wenn keine sonstigen Sorgen bestehen. 
Auch die eingeschlafene Ehe ist eher ein Allerweltsproblem; viele Paare erleben es nach einigen Jahren Ehe, dass der Alltag festgefahren zu sein scheint und das grosse Herzflattern von anfangs schon seit Langem ausbleibt. Manche lassen sich daraufhin scheiden, manche ändern gar nichts und manche kämpfen, um dem gewohnten Trott entfliehen und wieder das einstige Bauchkribbeln verspüren zu können. 

Die Hauptfigur Hannah hat sich längst zur Aufgabe der Ehe entschlossen und wird von Toms Schlaganfall zum Kämpfen gezwungen, wobei zunächst unklar ist, ob sie Tom lediglich zunächst bei der Genesung unterstützen möchte und die Trennung nur aufgeschoben ist oder ob dies tatsächlich auch den Kampf um ihre Ehe begründet. 
Parallel zu Hannahs aktuellem Ringen mit sich und ihren eigenen Zukunftsplänen bekommt man als Leser dargestellt, wie Tom die gemeinsame Vergangenheit erlebte, vom Kennenlernen über die Hochzeit bis hin zum Ist-Zustand. Hier sieht man sehr deutlich, ab wann es wo hakte, wann die Partnerschaft träge zu werden begann und erkennt, dass von beiden Seiten versagt wurde: Dies ist keine Darstellung einer Ehe, in der es den Guten und den Bösen gibt; beide haben Defizite, keiner der Zwei ist immer sympathisch. Sowohl Tom als auch Hannah sind Menschen mit Ecken und Kanten, was die Geschichte erst recht real wirken lässt. 

Ich habe "Die Liebe ist ein schlechter Verlierer" sehr gerne gelesen; im Bereich der Unterhaltungsliteratur fand ich diesen Roman im Vergleich auch recht anspruchsvoll. Eine gewisse Spannung kann ich ihm auch nicht absprechen, da es bis zuletzt sehr unklar war, ob Hannah und Tom einander noch eine Chance geben würden oder ob Hannah am Entschluss zur Trennung weiterhin festhielte bzw. ob sich nun nicht gar Tom trennen wollen würde, da er sich selbst als belastenden Klotz empfand. 
Als interessante Nebenfigur empfand ich auch Toms Schwester, die ich eingangs gar nicht mochte, welche hier aber eine erstaunliche Charakterentwicklung durchmachte.  
Letztlich waren die Figuren einfach allesamt "normal" und nahezu jeder sollte sich vorstellen können, dass sich eine solche Geschichte auch tatsächlich in seinem direkten Umfeld abspielen könnte. 

Für mich zählt "Die Liebe ist ein schlechter Verlierer" in diesem Jahr bislang definitiv zu meinen Lese-Highlights!