Rezension

Vom Glück im Kleinen

Herrn Haiduks Laden der Wünsche - Florian Beckerhoff

Herrn Haiduks Laden der Wünsche
von Florian Beckerhoff

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es gibt da so einen Witz. Ein Mann beschwert sich bei Gott, dass der ihn nie beim Lotto den Jackpot hat gewinnen lassen. Gott antwortet ihm, dass er ihn nicht gewinnen hat lassen können, weil der Mann ja auch nie Lotto gespielt hätte. An diesen Witz musste ich mehrfach während der Lektüre von Florian Beckerhoffs amüsanten wie lehrreichen Büchleins denken. Der Lotto-Jackpot wurde in Berlin geknackt und der millionenfache Gewinner meldet sich einfach nicht, um den Gewinn abzuholen. Alle Lottospieler sind schon ganz verrückt vor Aufregung und Spannung. Sie kommen auf die wahnwitzigsten Ideen, um den Schein mit den richtigen Zahlen irgendwie zu fälschen.

Herr Haiduk ist mitten im Geschehen. In seinem kleinen Zeitschriften/Kiosk/Zigaretten/Paketannahmeladen gibt es fast kein anderes Thema mehr unter seinen vielen Stammkunden. Und dann liest er eines Morgens den Aushang der jungen wortlosen Französin, die den Besitzer eines Lottoscheins sucht, den sie gefunden hat. Natürlich ist es der mit den richtigen Zahlen.

Beckerhoff bedient sich einer charmanten erzählerischen Finte in seinem Roman. Er lässt den französischen Ladenbesitzer die Ereignisse aus dem Sommer zuvor einem desillusionierten jungen Autor erzählen. Der soll darüber ein Buch schreiben. Und die Story packt den jungen Mann. Er ist beeindruckt von Herrn Haiduks Erzählkünsten und fühlt sich wohl in der Hinterhofatmosphäre des kleinen Ladens. Im Laufe des „Lotto-Castings“ lernen wir mit ihm viele Menschen des Viertels kennen. Alle wollen die oder der Besitzer des Lottoscheins sein. Und wir lernen ihre Wünsche und Ängste bezüglich des großen Gewinns kennen. Der Illusion vom großen Gewinn erliegen sie, um festzustellen, dass es ihnen eigentlich um ganz andere Dinge im Leben geht. Und auch Herr Haiduk verfolgt heimlich eine ganz eigene Strategie. Den großen Gewinn hat er nun einen Sommer danach für jemand ganz anderen vorgesehen. Und man kann nicht sicher sein, ob es ihm dabei wirklich um die Millionen geht.

Beckerhoffs Buch kommt ausgesprochen leichtfüßig und unterhaltsam daher, obwohl es sehr eindrücklich und überzeugend einen Blick auf unsere Gesellschaft wirft. Einen kleinen Querschnitt durch die Bevölkerung aufmacht. Wünsche enthüllt, die sich die Menschen nicht eingestehen wollen oder können. Und dazu einen äußerst charmanten Ladenbesitzer in den Mittelpunkt rückt, der sich die Zeit für jeden seiner Kunden nimmt. Das Glück kommt nicht mit dem Lottogewinn, es hat immer mit einem selbst zu tun. Nur manchmal ist es durchaus hilfreich, einen kleinen Amor in seiner Nachbarschaft zu haben.