Rezension

Vom Leben und Sterben

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster - Susann Pásztor

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
von Susann Pásztor

Bewertet mit 5 Sternen

★★★★★

Fred ist ein in sich gekehrter alleinerziehender Vater. Er hat sich zum Sterbebegleiter ausbilden lassen und hat bei Karla nun seinen ersten Einsatz. Sein Sohn Phil soll für Karla ihre Negative digitalisieren. Beide schließen Karla, die sehr speziell ist, schnell in ihr Herz. In seinem Übereifer schießt Fred übers Ziel hinaus und Karla lässt nur noch Phil zu sich. Ausgerechnet Hausmeister Klaffki schafft es, Fred eine neue Chance zu ermöglichen.

 

Dieses Buch handelt vom Sterben – von den letzten Wochen und Monaten einer an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten außergewöhnlichen Frau. Aber es handelt auch vom Erwachsenwerden. Denn Phil und auch sein Vater wachsen in der Zeit mit Karla über sich hinaus und verändern sich. Ebenso verändert sich die Beziehung der beiden zueinander und auch zu Sabine, Freds Exfrau und Phils Mutter.

 

Mich hat die Story sehr berührt. Das liegt zum Teil natürlich mit daran, dass ich vieles, das hier erzählt wird, selbst erlebt habe. Doch es hat nicht alte Wunden aufgerissen, sondern tatsächlich Narben balsamiert. Ja, es hat eine heilende Wirkung – auch wenn ich natürlich am Ende geheult habe, wie ein kleines Kind. Dennoch – ich liebe dieses Buch!

 

Die Erzählerperspektive ist etwas außergewöhnlich gewählt, denn sie fokussiert die Charaktere, um die es in dem Augenblick gerade geht, so, als würde man direkt deren Gedanken lesen. Es ist also keine Distanz über alles, sondern wechselt immer wieder die Personen. Entsprechend sind die Kapitel dann auch benannt (nach dem Namen der jeweiligen Person). Karlas Kapitel sind immer nur Listen von Gedanken. Dennoch liest es sich sehr gut. Man ist erstaunt, wie viel man am Stück gelesen hat. Mit der entsprechenden Zeit und Ruhe ist es kein Problem, das Buch komplett am Stück zu lesen. Viele der Gedanken sind wunderbar komisch, trotz all der Melancholie, die natürlich über allem liegt.

 

Wirkliche Spannung kommt keine auf. Im Gegenteil – wünscht man sich doch das große Wunder, dass Karla gegen jede Vernunft geheilt wird. Aber alles greift so schön ineinander, zeigt ein so schönes Abbild der Wirklichkeit (trotz aller Traurigkeit), dass man nicht zu lesen aufhören kann und mag.

 

Sich mit dem Tod, dem Sterben und dem Umgang damit auseinanderzusetzen ist nicht sehr einfach. Aber dieses Buch zeigt, dass man es sich oft viel zu schwer macht – und damit auch dem Sterbenden. Mich bewegt das Buch sehr, es geht tief unter die Haut und klingt anhaltend nach. Es ist definitiv schon jetzt eins meiner Highlights 2017 – und dafür gibt es die vollen fünf Sterne.

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