Rezension

Vom oberflächlichem Jungsbuch zum überraschenden Nachdenkroman

Nennt mich nicht Ismael! Bd. 1 - Gerard Michael Bauer

Nennt mich nicht Ismael! Bd. 1
von Gerard Michael Bauer

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Es gibt ungewöhnliche, unaussprechliche und unerträgliche Vornamen – und es gibt den Vornamen Ismael. Das ist der schlimmste – findet Ismael. Doch Ismael hat gelernt, auf Spott und Angriffe zu reagieren: Abtauchen! Das ändert sich schlagartig, als James Scoobie in die Klasse kommt. Im Gegensatz zu Ismael hat er vor niemandem Angst. Gegen Klassenrowdys hat er seine ganz eigene Waffe: die Sprache. Um sie zu schulen, gründet er einen Debattierclub. Doch Ismael hat panische Angst, vor Publikum zu sprechen. Wären da nicht seine eigenwilligen Debattier-Kollegen, würde das vermutlich auch so bleiben. Aber weil sie sich wortgewaltig für ihn einsetzen, steht auch Ismaels verbalem Aufstand bald nichts mehr im Wege.

Cover:

Meiner Meinung nach ist das Cover total verhunzt worden. Ich finde, das Cover sieht er nach einem belanglosen, ziemlich oberflächlichen Jungenbuchen a la "Gregs Tagebuch" aus. Auch der Klappentext klingt ziemlich gewöhnungbedürftig. Beides hat mich mehr als abgeschreckt, dieses Buch zu lesen. Auch der Titel ist nicht der schönste den ich je gelesen habe. Wirklich Schade, dass dieses tolle Buch dadurch einen schlechten ersten Eindruck macht.

Schreibstil:

Das Buch hat eine anfangs ziemlich lockere und leichte Schreibweise, was ich ehrlich gesagt auch erwartet hatte. Es ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, sodass man sich wirklich gut in Ismael hineinversetzen kann. Man liest das Buch ziemlich schnell durch, da der Schreibstil flüssig zu lesen ist und eben auch auf typische Jugendsprache zurückgreift. Allerdings bleibt er dadurch passend zum Inhalt, weswegen ich den Schreibstil auch als gelungen empfinde, ja ich finde ihn sogar richtig gut. Denn je mehr sich Ismael entwickelt, desto mehr verändert sich auch der Schreibstil. Man hat das Gefühl, der Autor schreibt sich richtig rein und plumps wird der Schreibstil immer schöner und auch "anspruchsvoller", aber trotzdem noch leicht und flüssig. Sehr schön zu lesen!

Plot:

Wie gesagt, es handelt sich um ein humorvolles Jugendbuch, da kann niemand einen intelligenten und überraschenden Plot erwarten. Aber trotzdem gibt es eine schöne Handlung. Diese ist sehr zu meiner Freude unglaublich realistisch gehalten. Sie greift die typischen Probleme eines Neuntklässlers auf, ohne groß zu übertreiben. Die Dramatiesierung ist meistens einfach witzig gemeint und das gefällt mir. Auch dieses Buch ist wieder in Teile gegliedert, woei ich hier nicht wirklich weiß, warum dem so ist, denn für mich stellt sich nicht wirklich raus, dass die Teile Handlungsschritte klar abgrenzen. Trotzdem, in den ersten Teil geht es vor allem um Ismaels Leben. Dieser teil ist noch ziemlich flach und für mich etwas übertrieben und auch manchmal etwas unglaubwürdig. Aber man lernt Ismael kennen, seine Welt und seine Gedanken. Für mich wird es aber erst besser, als James Scobie an die Schule kommt. Nun kommt die Geschichte ins Rollen und entwickelt sich in eine ganz andere Richtung. Wie gesagt, ich hatte ein oberflächliches Jungenbuch erwartet, doch dieses Buch greift tiefer und so konnte ich mit Freude feststellen, dass folgende Themen noch behandelt wurden: Behutsam und vor allem herlich ehrlich wurde das Thema Mobbing, Selbstzweifel, Peinlichkeiten und Angst aufgegriffen. Eben die typischen Jugendprobleme. Was mir gefallen hat, was aber wahrscheinlich nur daran lag, dass es ein Jungenbuch war, ist die Tatsache, dass es sich nie ums Äußere gedreht hat.
Was mir desweiteren besonders gut gefallen hat war die liebevoll mit eingebaute Hommage an die Macht der Sprache. Die verbindungen zur Literatur und die Zitate aus Moby Dick haben mir gut gefallen, aber auch die Vermittlung dessen, was Wort bewirken können.
Ich muss sagen, dieses Buch hat sich für mich vom oberflächlichen Humor zum ernsten, ehrlichen und tiefgründigen Schmöker entwickelt.

Personen:

Was mir aber an diesem Buch am meisten gefallen hat, das waren die Personen.

Ismael ist der typische, durchschnittliche Junge, der aufgrund seines Namens gemobbt wird. Man lernt Ismael als einen etwas merkwürdigen Jungen kennen, der einen Hang zum Übertreiben hat und sich nur auf seinen Namen fixiert. Dieser Ismael hat mir gar nicht gefallen, wohl aber der Ismael, der sich nachher entwickelt hat. Ismael wurde ein sensibler, intelligenter Junge, der aber trotzdem noch peinlich war und Selbstzweifel hatte. Aber er war unglaublich realistisch und ich hatte immer öfter das Gefühl, auch mal mich wieder zu erkennen. Denn Ismael ist ein detailreicher und liebevoller Charakter, der es verdient, ein größeres Publikum zu unterhalten.

Auch seine besten Freunde waren originell und authentische Charaktere. Razza war für mich jemand, der dem ernsten und vielschichtigen immer etwas witziges und leichtes gegeben hat, sodass das Buch nicht zu ernst wurde, sondern man auch immer was zu lachen hatte. Trotzdem war er nicht klischeehaft, sondern einfach nur Razza. Genau wie Bill, der im Buch als verträumter Fanatsy-Sci-Fic-Nerd brilliert. Bill war ein so spezieller und origineller Charakter, dass der Autor alleine dafür belohnt werden müsste. Bill hatte im Gegensatz zu Razza auch Tiefe und hat mir rundum gefallen. Und auch Prindabel war einfach nur cool, ein wandelndes Lexikon das alle möglichen Daten sammelt und immer alles realistisch sieht, einfach klsse! Wie ihr schon merkt, haben alle von Bauers Charakteren einen schrulligen Charakterzug, an denen man sie erkennt. Und genau das mag ich an Nebenpersonen so gerne!

Aber der beste Charakter mit Abstand war James Scobie. James ist ein schmächtiger, fremdartiger und schruliger Junge, der allerdings in vielen Dinge so ist wie ich. James ist ein Typ, der in vielen Situationen einfach anders reagiert. Vor allem redet er aber immer geschwollen und hochtrabend sachlich, eben ein richtiger debattant. Er erkennt, welche Macht Worte haben können und er entwickelt sich zur wichtigsten Person in Ismaels Leben. James hat ebenfalls Tiefe, geschuldet durch seine Geschichte. Und trotzdem ist er nicht der typische sensible Streber, sondern er ist mehr so ein Politiker mit einer schrulligen und liebenswerten seite!

Meine Meinung:

Ich hatte das Buch angefangen, weil ich mal wieder etwas leichtes Lesen wollte. Und obwohl "Nennt mich nicht Ismael!" genau danach aussieht, so ist es doch etwas anderes. Dieses Buch ist anders, es ist ehrlich und tiefgründig. Die Personen wachsen einem sofort ans Herz, weil sie so schrullig, authentisch und liebevol gezeichnet sind. Und obwohl die Story nicht unglaublich überraschend ist, so ist sie doch umso realistischer und schöner. Man wird mit Problemen konfrontiert, die man selbst doch bestimmt auch am Besten kennt. Und der Autor traut sich auch, die Macht der Sprache anzusprechen, sodass das Buch auch eine angenehme Prise Lebensweisheit enthält. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und dadurch, dass Humor und Ernst Hand in Hand gehen und wirklich einfach schön.

Dieses Buch ist sicherlich nicht für jederman etwas. Denn dieses Buch ister eher leise und scheint oberflächlich. Doch in wirklichkeit ist es so bunt wie das Leben selbst! Und da dieses Buch in einfachen Tönen wichtige Themen anspricht, ist es auch leicht zu lesen und enthält keine hochtrabenden Zitate.

Alles in einem ein Buch, dass mich positiv überrascht hat und das wirklich jeder Lesen sollte, denn man muss diesem Buch eine Chance geben. Und wer das tut, wird mit etwas schönem belohnt!