Rezension

Vom Vergehen der Zeit

Ein ganzes Leben - Robert Seethaler

Ein ganzes Leben
von Robert Seethaler

Bewertet mit 5 Sternen

Und das letzte Wort hat doch immer die Natur – in seinem Roman „Ein ganzes Leben“ schildert Robert Seethaler auf knapp 180 Seiten eine ganze Existenz, die stark von den Launen der Natur abhängig ist. Es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben, von dem erzählt wird: Protagonist Andreas Egger ist etwa vier Jahre alt und Waise, als er um 1900 in das kleine Bergdorf in den österreichischen Alpen kommt. Der Großbauer Kranzstocker nimmt das Kind seiner Schwägerin unwillig auf. Es folgt eine Kindheit ohne Liebe, voller Gewalt. Egger wächst zu einem gestandenen Hilfsknecht heran, arbeitet als junger Mann bei einem Arbeitstrupp, der eine der ersten Seilbahnen baut und kämpft schließlich im Zweiten Weltkrieg. Das ganze Leben des Andreas Egger ist gekennzeichnet von schweren Schicksalsschlägen, von dunklen Momenten. Doch so schlimm es auch kommt: Andreas Egger klagt nicht und verbittert auch nicht. Er macht einfach immer weiter. Und am Ende weiß man: Er geht versöhnt von dieser Erde, trotz allem.

„Ein ganzes Leben“ hat mich wirklich sprachlos zurückgelassen – für mich ein ganz großartiger Roman, der mich so unglaublich tief berührt und bewegt hat. Seethaler braucht nicht viele Worte, um die 70 Jahre Leben des Andreas Egger zu erzählen. Der Text kommt an vielen Stellen unglaublich zart daher und trotzdem hat alles einen großen Klang. Die Szenen sind einprägsam und leben von ihrer atomsphärischen und metaphorischen Dichte.

Es ist ein kluger, poetischer Roman übers Leben und Sterben, über das Vergehen der Zeit – ein Roman, der irgendwo in uns eine vage Sehnsucht weckt und uns Demut lehrt.