Rezension

Von Abhängigkeiten und menschlichen Abgründen

Der Pflegefall - Olivia Monti

Der Pflegefall
von Olivia Monti

Bewertet mit 4 Sternen

Wer lügt? Dieser Krimi ist ein vielschichtiges Psychogramm der wenigen handelnden Personen. Zu Beginn wirkt die Geschichte gar nicht so krimilastig, als Anna Zerbst sich an ihren ersten Tag bei Herrn Brunt erinnert. Sie ist “notgedrungene” Pflegerin, nimmt solche privaten Stellen an, um nicht arbeitslos zu sein. Der alte Herr ist körperlich schwach, geistig aber umso stärker, wie sie herausfinden wird.

Zu den mühseligen Aufgaben, die sie aber gut meistert, kommen Schritt für Schritt bestimmte Eindrücke, Geschichten und Momente hinzu, die Anna an der Fassade ihres Dienstgebers zweifeln lassen. Ist er einfach der alte Mann, der von ihr und vom Haushälterehepaar Schmitts gerade so ausgehalten wird? Oder haben seine Wutausbrüche und die grausigen Geschichten, die er ihr im Geheimen erzählt, einen wahren Kern?

Anna steht zwischen den Fronten, ahnt mehr, dass etwas Schlimmes geschehen sein muss, als dass sie konkrete Beweise hätte. Mal glaubt die Brunt, mal sind die Schmitts überzeugender. Es fällt ihr schwer, beide Seiten gedanklich zu einer Geschichte zu verbinden. Was geht wirklich vor im Haus in der Magnolienstraße 71? Und was ging früher vor? Anna beschließt, sich heranzutasten und die Sache aufzudecken.

Fesselnd erzählt Olivia Monti, wie eine unbescholtene alleinstehende Frau langsam mental zwischen den Seiten aufgerieben wird. Ihre Optionen sind beschränkt, was die Situation zusätzlich spannender macht: Die Stelle aufzugeben ist finanziell nicht ratsam, also wird Anna immer tiefer in die menschlichen Abgründe hineingezogen. Doch nicht nur sie ist abhängig, auch Brunt ist es. Ebenso das Haushälterehepaar, werden sie doch gut vom Alten bezahlt. Diese unheilvolle Dreiecksbeziehung baut einen ganz eigenen Grusel auf und man wartet mit angehaltenem Atem, wann und worin dieser wohl gipfeln wird. Dass etwas passiert, ist unausweichlich...