Rezension

Von der Solidarität mit dem Profikiller

Post Mortem - Zeit der Asche
von Mark Roderick

Bewertet mit 4 Sternen

Welchen Wein würde ich dazu wählen, wenn ich dabei zusehen dürfte, wie das Wesen, das auf dem Supermarktparkplatz meinen nagelneuen Gebrauchten mit einem Kratzer verunstaltete und dann verschwand, so richtig übel an der Ausfahrt-Schranke hängenbliebe?

Wer so oder noch schlimmer schon einmal Phantasien gepflegt hat, darf sich hier über sich selbst erschrecken: auch Claus Thalinger, von dem wir schon im ersten Kapitel erfahren, dass er die Dienste des brutalen Folterers Belial gerne in Anspruch nahm, weiß um die Bedeutung des passenden Weins zum Folter-Video-Genuß.

Mark Roderick schreibt in „Post Mortem – Zeit der Asche“ so spannend, dass ich das Buch in einem Tag durchgelesen habe. Ich kannte zwar den Vorgänger „Post Mortem – Tränen aus Blut“, denke aber, dass man aufgrund der im Buch gegebenen Erklärungen diesen zweiten Teil auch ohne den ersten mühelos lesen kann – tatsächlich finde ich den zweiten Band sogar noch einen guten Touch besser, spannender.

Den Leser erwartet nicht die klassische Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, nein, einer der „Guten“ ist Avram Kuyper, der die grausamen Verluste innerhalb seiner Familie rächen möchte – als Profikiller hat er dazu durchaus andere Mittel als die ebenfalls ermittelnde Polizistin Emilia Ness. Der Autor schafft sehr geschickt eine permanente Folge von Cliffhangern, indem er fortgesetzt zwischen den Perspektiven von Avram und Emilia wechselt und auch etliche Kapitel einstreut, in denen wir direkt über die Schultern des perfiden Thalinger blicken. Dass wir dadurch zum allwissenden Leser werden, senkt das Spannungslevel mitnichten. Der Autor wendet den Kunstgriff an, die meisten der härteren Szenen im Rückblick zu schildern, indem sich zum Beispiel die Ermittler ein Video ansehen, oder indem jemand zwar mit einem Hammer auf jemandes Knie zugeht, dann aber quasi ausgeblendet wird, indem wir den Raum verlassen oder ähnliches. Da ich Sadismus-Folter-Szenen nicht wirklich mag, wird das so für mich ertragbar auf das Kopfkino reduziert.

Auch wenn ein Profikiller und die Polizei dabei ja doch recht unterschiedliche Ziele und Möglichkeiten haben, schafft es Roderick, bei beiden eine praktisch konstant hohe Spannung aufgrund der beschriebenen Ermittlungsarbeit zu vermitteln. Dabei durchläuft Profikiller Avram einige Erfahrungen, die sowohl seine innere Moral („keine Kinder“) und sein Verständnis von Ehre und Loyalität, aber auch seinen „Berufseinstieg“  nachvollziehbar machen.

Als einzigen Wunsch hätte ich noch an den Autor gehabt, dass er das eher implizit vorhandene Dilemma von Ermittlerin Emilia herausgearbeitet hätte, als sie selbst ins Visier des Bösen gerät – bis dahin war für sie ein Vorgehen mit persönlicher Rache oder nur abseits der Dienstvorschriften nach dem Vorbild vom moralisch und beruflich weniger eingeschränkten Avram nicht vorstellbar gewesen. Was macht das mit so einer Persönlichkeit (Avram war in diesem Band wesentlich komplexer dargestellt)? Aber die Leseprobe am Buchende macht ja schon wieder Appetit auf Band 3….