Rezension

Von gefährlichen Tagträumern und sympathischen Auftragsmördern

Wer die Lilie träumt - Maggie Stiefvater

Wer die Lilie träumt
von Maggie Stiefvater

Bewertet mit 5 Sternen

Magie, Magie, das Buch besteht aus purer Magie. Ich lasse mich ja nur selten zu Begeisterungsstürmen hinreißen, und bei Mehrteilern noch seltener, doch Ma(g)gie Stiefvater scheint mir zu dieser raren Spezies Autoren zu gehören, die mit müheloser Leichtigkeit komplexe Geschichten erzählen, die einen in den Bann ziehen. Da, ich habe es getan und eine leere Worthülse benutzt: in den Bann ziehen. Wie schnöde. Und wie wahr.

Bei diesem Buch handelt es sich um den zweiten Teil der Raven Boys und auch hier geht es wieder um Blue Sargent, dem einzigen Mädchen in einer Frauenfamilie aus Wahrsagerinnen, der eben diese Fähigkeit nicht gegeben ist, und ihren Freunden von der Snobschule Aglionby Gansey, Ronan, Adam und Noah. Sie sind noch immer auf der Suche nach den Ley Lines oder besser noch nach dem, was sich irgendwo auf irgendeiner Ley Line verbirgt: das Geheimnis um den mysteriösen König Glendower. Nach dem Opfer, das Adam im ersten Buch vollbrachte, scheinen diese Ley Lines instabil zu werden und der magische Wald verschwindet. Doch das ist nur eines ihrer Probleme. Ronan entwickelt sich zum Tagträumer, der Dinge aus seinen Träumen mitnehmen kann, geheimnisvolle Einbrüche scheinen mit den instabilen Ley Lines in Verbindung zu stehen, Adam wird von Visionen geplagt, Blue darf noch immer nicht ihre wahre Liebe küssen und dann kommt auch noch ein Auftragmörder in die Stadt. Einen gefährlicheren Killer als den grauen Mister Gray hat die Welt kaum vorher gesehen - und ich liebe ihn.

Ihn und eigentlich fast alle anderen Protagonisten, die in diesem Buch vorkommen. Denn das ist eine der Stärken der Autorin: Sie erschafft für uns nicht nur einen völlig neuartigen Plot, sie gibt uns Bezugspersonen, die so dreidimensional, so präsent, so sympathisch und voller Schwächen und Stärken sind, die man in einem Augenblick schütteln und im nächsten Moment in den Arm nehmen möchte. Stiefvater beschränkt sich dabei nicht allein auf die Hauptpersonen, nein, selbst ihre Nebendarsteller werden mit wenigen Pinselstrichen so ins Bild gerückt, dass man sie zu kennen vermeint. Ich habe sogar Sympathien für einige der Antagonisten empfunden, wie zum Beispiel Kavinsky, weil sie eben diese Leute nicht einfach nur dumm oder böse handeln lässt um des Dumm- oder Böseseins Willen. Hinzu kommt ein Schreibstil, der einfach nur umhaut, Dialoge, die abseits von kitschigem oder mainstreamigen Teeniefantasyschrott sind und trotz aller Magie eine Authenzität im Erzählstrang, dass ich ihr sogar abgenommen hätte, wenn sie ihre Helden auf lilafarbenen Einhörnern in den Sonnenuntergang hätte reiten lassen.

Fazit: Der zweite Band der Raven Boys steht dem ersten in nichts nach und macht einfach nur Lust auf mehr. Her mit dem dritten Buch der Reihe!