Rezension

Von Schlachten und Belagerungen – düstere High Fantasy Fortsetzung

Das Herz der verlorenen Dinge - Tad Williams

Das Herz der verlorenen Dinge
von Tad Williams

Bewertet mit 4 Sternen

Als Teil der „Osten Ard“-Reihe sehr atmosphärisch, düster und unbedingt empfehlenswert für alle Fans anspruchsvoller High Fantasy.

Meine Meinung:

 

„Kriege enden nicht“ (S. 98)

 

Mir war nicht bewusst, dass „Das Herz der verlorenen Dinge“ eine Fortsetzung des „Osten Ard“- Zyklus („Das Geheimnis der großen Schwerter“) ist, dessen ersten Band Tad Williams bereits vor knapp 30 Jahren geschrieben hat. Entsprechend ist die Welt von „Osten Ard“ eine Welt, die der Autor schon zuvor in vier Büchern entwickelt und aufgebaut hat. Mit einer markanten Geografie, klassischen wie neuen Fantasy-Wesen, einer ganz eigenen Magie-Form (das „Singen“), mehreren sehr  unterschiedlichen Volksstämmen mit eigenen Sprachen und Namensgebungen sowie einer sehr ausgeklügelten und faszinierenden „Historie“ lässt die Welt von Osten Ard sicherlich das Herz eines jeden High-Fantasy-Fans höher schlagen, gar keine Frage!

 

Da dies mein erstes Buch aus dieser Reihe war, ist mir der Einstieg allerdings ungewöhnlich schwer gefallen. Tad Williams hat auf den Seiten 327 ff. eine kurze Abhandlung über die Feen-Völker Osten Ards und deren Geschichte geschrieben, die man als „Osten Ard Neuling“ auf jeden Fall vor der eigentlichen Geschichte lesen sollte, die ich aber in allen ihren Zusammenhängen dennoch schon als sehr komplex empfunden haben. Dazu kommen die ungewöhnlichen Namen, die für mein Lese-Gedächtnis nicht sehr einprägsam waren, und die mich des Öfteren gezwungen haben, im Glossar ab Seite 333 nachzuschlagen.

 

Erst nach ca. einem Drittel der knapp 330 Seiten langen Geschichte hatte ich es geschafft, in der Geschichte Fuß zu fassen und zumindest die wesentlichen Charaktere sicher auseinanderhalten zu können. Glücklicherweise stellte es sich heraus, dass es insgesamt keine zehn Hauptcharaktere sind, die die Geschichte vorantreiben. Von diesen haben mir insbesondere der Soldat Porto, der Baumeister Vijeki und die Generalin der Opfermutigen, Suno´ku, sehr gut gefallen. Sehr spannend für die Folgebände ist die Frage, welche Rolle die geheimnisvolle Figur Ayaminu vom Feen-Volk der Sitha gespielt hat.

 

Die Geschichte selbst hat dann doch ein bisschen Weniger Inhalt geboten, als ich mir das erhofft hatte. Letztendlich geht es hier – im Anschluss an die Kriege der Vorgängerbände -  „nur“ um drei aufeinanderfolgende Belagerungen. Für ein einzelnes Buch wäre mir das viel zu wenig gewesen, als Teil einer Reihe in einem epischen Fantasy-Werk, das George R. R. Martin zu seiner „Das Lied von Eis und Feuer“-Reihe („Game of Thrones“) inspiriert haben soll (!), ist das aber durchaus passend und für meinen Geschmack vollkommen in Ordnung.

 

Besonders gut gefallen haben mir einerseits die düstere und oftmals von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit geprägte Atmosphäre sowie die drei Schauplätze, die sich Tad Williams für seine Story erdacht hat, sei es die verfallene und irgendwie surreal anmutende Wirrwurzelfeste, der strategisch wichtige Drei-Raben-Turm oder die sagenumworbene Bergfestung der Nornen, die hoch im Norden den letzten Rückzugsort dieses Volkes darstellt.  

 

Tad Williams Erzählstil merkt man voll und ganz an, dass er unbestritten zu den besten Fantasy-Autoren der Gegenwart gehört. Sein Sprache und seine eigenen Namenskreationen passen perfekt zu seiner fantastischen Welt, die er mit seinen Worten plastisch und lebendig entstehen lässt. Durch einen stetigen Wechsel in der Erzählperspektive - zwischen dem Heer der Rimmersleute sowie dem Volk der Nornen – treibt er die Geschichte stets voran und lässt den Leser an den Motiven, Sorgen und Nöten beider Seiten teilhaben, so dass man sich kaum für eine der beiden Seiten entscheiden kann. Zwischendurch legt Tad Williams dann beim Erzählen nochmal den „Turbo-Gang“ ein, in dem er die Geschichte in „geraffter“ Form durch die Berichterstattungen einer Chronistin beschreiben lässt – ein sehr interessantes Stilmittel!

 

Im Zyklus mit den Vorgängerbänden auf jeden Fall eine absolute Leseempfehlung für alle Fans anspruchsvoller High Fantasy, als „Einstieg“ in die Welt von „Osten Ard“ würde ich dieses Buch eher nicht empfehlen.

 

FAZIT:

Als Teil der „Osten Ard“-Reihe sehr atmosphärisch, düster und unbedingt empfehlenswert für alle Fans anspruchsvoller High Fantasy.