Rezension

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Von Sehnsucht keine Spur

Die Sehnsucht des Vorlesers
von Jean-Paul Didierlaurent

Bewertet mit 2 Sternen

Inhalt
Guylain Vignolles liebt Bücher und das Lesen, hasst aber auch seinen Job in einer Papierverwertungsfabrik. Heimlich stiehlt er einzelne Seiten aus der Schreddermaschine und liest diese jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit im Zug vor. Seine Mitfahrer genießen die Zeit mit ihm und lauschen jedem einzelnen Ton. Eines Morgens findet er einen USB-Stick bei seinem Stammplatz und nimmt ihn mit. Darauf findet sich 72 Dateien, in denen eine gewisse Julie über ihr Leben und ihren Job schreibt. Guylain ist total fasziniert von der Autorin und möchte sie unheimlich gerne kennen lernen.

Meine Meinung - Achtung, mit Spoiler
Ja, das Cover hat mich wirklich angesprochen. Es hat so eine gewisse ruhige und sehnsüchtige Stimmung. Dazu wusste ich, dass ziemlich viele Leser von dem Buch begeistert waren, weshalb ich spontan dazu griff.

Guylain Vignolles ist 36, lebt allein mit einem Fisch und ist eigentlich ganz schüchtern. Er liebt Bücher und hat einen Job, bei dem er Bücher vernichtet. Jeden Morgen im Zug zur Arbeit liest er aus seiner Seitensammlung. Diese sind die Überlebenden der Schreddermaschine, die er jeden Tag bedient. Heimlich fischt er sie heraus und bringt sie in Sicherheit. Dann findet er einen USB-Stick, den scheinbar eine Julie verloren hat, denn darauf finden sich Texte von ihr, die ihn irgendwie berühren.

Guylain hat zwei gute Freunde, die auf ihre Weise äußerst skurril sind. Zum einen Yvon, der ebenfalls in der Fabrik arbeitet. Der große Mann ist Wachmann, mit einer Schwäche für das Theater. Er spricht nur noch in Versen, weshalb so mancher von ihm irritiert ist. Zum anderen ist da Guiseppe. Er hat ebenfalls in der Fabrik gearbeitet und Guylain mit ausgebildet, doch dann hatte er einen Unfall, bei dem er seine Beine verlor. Nun ist er davon besessen ein bestimmtes Buch in einer bestimmten Auflage zu finden, denn diese Bücher haben etwas mit seinem Unfall zu tun.

Wo das Cover noch eine gewisse Stimmung aufzeigte, war auf den Seiten eher Tristheit zu finden. Guylain wurde für mich so gut wie nicht sympathisch. Ja, es hat ein romantisches Bild, dass ein Mann jeden Morgen seinen Zuhörern etwas vorliest, doch das war es auch. Er wirkte irgendwie stumpfsinnig. Dauernd jammert er, dass er seine Arbeit nicht ausstehen kann, dass es ihm das Herz bricht Bücher zu zerstören, doch er versucht nicht da raus zu kommen. Er denkt nicht einmal daran, dass er sich auch einen anderen Job suchen könnte. Er lügt sogar seine Eltern wegen des Jobs an, weil es ihm peinlich ist. Diese Einstellung konnte ich einfach nicht verstehen.

So folgt man also Guylains tristem Alltag, den er einfach nicht durchbrechen will. Es gibt nur wenige Ausbrüche aus diesem Grau. Dann findet er einen USB-Stick und ist besessen von den Texten darauf. Er schleppt sie überall hin mit, liest nur noch daraus und verliebt sich in die Vorstellung von der Frau, die sie geschrieben hat.

Hier könnte man sagen, dass er eine Sehnsucht nach dieser Frau entwickelt, die ihn sogar seinen Job weniger schlimm erscheinen lässt. Wobei man natürlich ihre Texte mit ihm liest. Nach dieser Lektüre wurde mir aber absolut nicht klar, wie er sich da so verlieben konnte. Mal ehrlich, sie schreibt über ihren Job und dieser scheint nicht sonderlich angenehm zu sein.

Am meisten hat mich aber eine Szene zum Ende hin gestört. Guylain findet heraus, wo Julie arbeitet und will sie treffen. Die Frau, die er aber dort trifft, entspricht nicht seinen Erwartungen, weshalb er sich traurig zurückzieht. Es hat mich wirklich irritiert. In den Texten gab es keine Beschreibung von ihr und nur weil sie seiner Vorstellung nicht entspricht, ist es schmerzlich für ihn. Natürlich gibt es später noch ein richtiges Happy End, doch es konnte mich nicht mehr wirklich überzeugen.

Fazit
So schön dieses Buch auch scheint, so enttäuschend war schließlich der Inhalt. Der Autor schreibt zwar überaus flüssig und irgendwie auch fesselnd, aber das Geschriebene selbst ist eher trist und drückend. Ich konnte Guylains Sehnsucht nicht nachvollziehen und ihn als Protagonist einfach nicht ins Herz schließen.