Rezension

Von übervorteilten Kleinbauern und gigantischen Agrarkonzernen ...

Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens
von Oliver Bottini

Bewertet mit 4.5 Sternen

Kommissar Ioan Cozma gehört noch zur alten Garde der rumänischen Polizei und steht kurz vor der Pensionierung. Den größten Teil seines Lebens hat er in einer Diktatur verbracht. Seine jungen Kollegen dagegen lernen Fremdsprachen und hospitieren bei der Polizei der Nachbarländer. Dass Cozmas Kollege Cippo wegen angeblicher Sparmaßnahmen nach Jahrzehnten im Polizeidienst gekündigt werden soll, motiviert ihn nicht gerade. Doch weil Cozma Deutsch spricht und als besonders diplomatisch bekannt ist, bekommt er den Mordfall Lisa Marthen übertragen. Die Ermittlungen sind heikel, weil die junge Frau Tochter eines deutschen Großbauern im Ort ist - und weil in der Landwirtschaft mancher Dreck am Stecken hat. Cozmas smarter Chef wusste zu genau, warum er gerade ihm den Fall angehängt hat.

Jörg Marthen kam aus Ostdeutschland nach Liebling ins Banat, in genau die Region, aus der ganze Jahrgänge Deutschstämmiger in den 80ern in die Bundesrepublik aussiedelten. Die Region sieht sich einer gigantischen Spekulation mit Ackerland gegenüber. Ausländische Immobiliengesellschaften spekulieren auf weiter steigende Preise, die Saudis investieren märchenhafte Summen, um weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu sein. Verlierer sind am Ende mehrere Millionen einheimischer Kleinbauern, die um ihr Land betrogen und als Arbeitskräfte nicht mehr gebraucht werden. Die Konzentration der Landwirtschaft in Marthens ostdeutscher Heimat nach 1989 zu wenigen EU-subventionierten Agrarkonzernen wirkt dabei wie eine Blaupause für die Entwicklung im Banat. Noch ehe Cozma Beweismittel gesichert und Zeugen befragt hat, erhält man aus verschiedenen Perspektiven Einblick in die Lebensbedingungen südlich von Timisoara. Cozmas Ermittlungen führen ihn schließlich bis nach Prenzlin, den Heimatort von Jörg Martens, und er muss sich mit den Gespenstern seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen.

Der größte Reiz an Bottinis neuestem Krimi war für mich zunächst der Schauplatz, weil er schlicht der Heimatort einiger Zuwanderer nach Deutschland ist. Die sorgfältig recherchierten Verhältnisse in Rumäniens Banat mit ihrer in die Ceausescu-Zeit zurückreichenden Vorgeschichte wirken anfangs recht spröde, die Zusammenhänge, wer gegen wen warum etwas in der Hand hat, entwickeln jedoch bald ihren eigenen Reiz. Auch wenn die Schilderung des Hintergrunds vom Mord an Lisa Marthen zunächst wegzuführen scheint, vermittelt sie genau die düstere Atmosphäre, für die Oliver Bottinis Krimis bekannt sind.