Rezension

Vorwitziges Federvieh trifft neurotischen Akademiker

Gray - Leonie Swann

Gray
von Leonie Swann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Augustus Huff lebt den Akademikertraum: Dozent in Cambridge, dezente Affäre mit einer tollen Kollegin, geachtet und respektiert. Seine größten Probleme waren bisher Studenten mit Prüfungsangst und seine eigenen kleinen Neurosen. Bis der junge Student Elliott Fairbanks vom Dach stürzt. Oder gestürzt wurde? Doch als wäre die Akademikerwelt von Huff durch diesen Vorfall nicht schon genug in Unruhe gebracht, „erbt“ er auch noch Elliotts Haustier. Der Graupapagei Gray bringt Huffs schöne Routine gehörig durcheinander.

Leonie Swann hat sich auf Tierromane spezialisiert: ihre Schafe aus „Glenkill“ und „Garou“ haben mich begeistert, auch den Flöhen aus „Dunkelsprung“ bin ich gerne durch ihre Geschichte gefolgt. Mit Gray hat die Autorin wieder voll ins Schwarze (oder sollte ich sagen Graue?) getroffen: ein vorlautes und rotzfreches Federvieh, das den ganzen Tag Songs von Lady Gaga krächzt; das schon mal den Schreibtisch seines offiziellen temporären Halters ins Chaos stürzt; das zudem sehr schlau ist und nicht nur Farben und Formen, sondern auch Gut und Böse auseinander halten kann. Herrlich komische Situationen sind vorprogrammiert. Kurzum: ich mochte Gray sehr gerne. Der tierische Anteil der Story ist somit hervorragend gelungen. Leider hat mich der Krimianteil nicht richtig begeistern können. Die Geschichte fügt sich zwar sehr gut in das akademische Milieu von Cambridge ein, auch die Atmosphäre ist glaubwürdig wiedergegeben. Allerdings fand ich die Fallentwicklung etwas mau, es kam kaum Spannung auf, dafür leider kleine Ungereimtheiten. Gerade Huffs Persönlichkeit entwickelt sich sehr unglaubwürdig: vom stillen Mäuslein, das ohne seine täglichen kleinen Routinen (Tür dreimal abschließen, ständiges Händewaschen etc.) die Krise kriegt und jetzt plötzlich zum mutigen Helden aufsteigt… so wirklich abnehmen konnte ich der Autorin diese Entwicklung nicht. Auch hatte ich das Gefühl, dass die Autorin sich diesmal betont Mühe gegeben hat, „einfach“ zu schreiben. Ihr letzter Roman „Dunkelsprung“ wurde oft als etwas sperrig beschrieben, das sollte hier wohl anders werden. Mir war es zu leicht erzählt, einfache Sätze, leichte Kost… mir hat das Besondere gefehlt.

Insgesamt kein schlechter Roman, Gray als „Figur“ machte für mich wieder einiges wett. Das beste Buch der Autorin war es für mich jedoch nicht.