Rezension

Wären Schlachthöfe aus Glas, wären die meisten Menschen Vegetarier

Ich bin dann mal vegan - Bettina Hennig

Ich bin dann mal vegan
von Bettina Hennig

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ganz ehrlich? Ich habe eigentlich nicht viel von diesem Buch erwartet, schon gar nicht mit diesem Untertitel "Glücklich und fit und nebenbei die Welt retten". Ich dachte, hier könnte es sich um eine Art "Moppel-Ich" für Veganer handeln, nur eben von Bettina Hennig statt Susanne Fröhlich. Und tatsächlich sind ein paar Parallelen vorhanden. Beide sind Journalistinnen, beide verfügen über einen locker-luftig-lustigen Schreibstil. Beide haben sie eine Agenda (gehabt) - über eine Sache ein Buch zu schreiben, die ihnen gerade irgendwie am Herzen lag, wobei auch gelegentliche Ausflüge ins Privatleben unternommen wurden.

Was mir hier jedoch gefallen hat, war, dass sich die Autorin die ganze Sache mit dem veganen Leben nicht einfach gemacht hat. Natürlich ging es anfangs nur um ein Interview mit dem bekanntesten Vertreter der veganen Lebensweise (ich nenne jetzt seinen Namen nicht, ihr wisst schon, wer gemeint ist, und er bekommt wirklich genügend Aufmerksamkeit), doch irgendwie und plötzlich rutschte die Journalistin hinein, mittendrin statt nur dabei, sozusagen. Sie folgte einem Trend und bemerkte, dass es nicht nur ein Trend sein muss, dass es, wenn man es konsequent zu Ende denkt, eigentlich nur diesen Weg geben kann. Sie versuchte, sich kundig zu machen, mit der Materie zu beschäftigen und hat dafür Nachforschungen angestellt. Hat sich in Foren angemeldet und Fragen gestellt, Bücher gelesen, Filme gesehen. (Diese Filme sollten Schulpflicht werden, finde ich.) Sie hat mit Freunden und Bekannten geredet, diskutiert und manchmal auch gestritten, hat sich mit Veganern getroffen, die aktiv für Menschen- und Tierrechte eintreten und dort nicht gestoppt. Etwas, das ich ihr hoch anrechne, ist, dass sie irgendwann gesagt hat, sie möchte selbst auch etwas tun, und egal, ob sie es hier medienwirksam vermarktet oder nicht, sie hat es getan. Ob es sich um einen kaum beachteten Flashmob mit weniger als 50 Menschen handelt oder um eine Kundgebung mit mehr als 30.000 Demonstraten, Hennig hat nicht einfach bei der Theorie aufgehört. Sie ist engagiert und sie bringt Dinge zur Sprache.

In diesem Buch finden sich Alltagssituationen, die komisch sein könnten und sich auch so lesen, wobei einem schon manchmal das Lachen im Hals stecken bleibt, denn gerade das Idiotenbingo erlebt jeder und bei viel Pech andauernd. Menschen, die "ihr Fleisch brauchen" wollen nichts hören von Massentierhaltung. Sie wollen nichts davon hören, dass männliche Küken nach ihrer Geburt bei lebendigen Leib geschreddert werden, sie wollen nichts davon hören, dass Schweine in den Masten auf so engen Raum vegetieren müssen, dass sie sich gegenseitig schwer verletzen, dass Tiere in Massentierhaltungen mit so viel Chemie vollgepumpt werden, damit sie größere Leistungen bringen, dass diese Chemie sich auch durch Kochen oder Braten nicht entfernen lässt und somit konsumiert wird. Sie wollen nichts hören vom Bienensterben, sie wollen nichts davon hören, dass Kälber ihren Müttern entrissen werden, denn nur kalbende Kühe geben Milch. Wer ihnen so etwas erzählt, ist ein Radikaler, ein Ökoterrorist, ein Naturschützerfanatiker, ein grüner Faschist.

Hennig erzählt von all dem auf eine leichte Weise, die es selbst für Leute, die gern Fleisch essen angenehm macht, über ihre Erfahrungen zu lesen. Das Einzige, was wirklich nervt, ist ihr ewiges Betonen, dass Veganer viel jünger aussehen. Das könnt ihr getrost zum Veganerbingo hinzufügen, denn das ist genauso Quatsch wie die Behauptung, dass Veganer unter Mangelerscheinungen leiden. Ob man jünger oder älter aussieht ist einem Zusammenspiel vieler Komponenten geschuldet, nicht allein seinem Wunsch, die Welt zu retten, so schön es auch wäre. Wer darüber hinwegliest, wird ein kluges, meist reflektiertes Buch vorfinden, das einerseits Spaß macht, andererseits auch zum Nachdenken anregt und Fragen und Antworten liefert.

Fazit: Lesen. Nachdenken. Umsetzen.