Rezension

Wahrheit oder nicht?

Nach einer wahren Geschichte - Delphine de Vigan

Nach einer wahren Geschichte
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt / Klappentext:

Zwei Frauen lernen sich auf einer Party kennen. Die zurückhaltende Delphine, die sich mit fremden Menschen meist sehr schwer tut, ist sofort fasziniert von der klugen und eleganten L., die als Ghostwriter arbeitet. Aus gelegentlichen Treffen werden regelmäßige, man erzählt einander das eigene Leben, spricht über Familie und Freunde, vor allem über Freundinnen. Und natürlich über Bücher und Filme, die man liebt und bewundert. Delphine ist glücklich über die Gemeinsamkeiten und fühlt sich verstanden wie schon lange nicht mehr. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit gibt sie in einem Gespräch über das Schreiben die Idee für ihr nächstes Buch preis. L. reagiert enttäuscht: Wie nur könne Delphine ihre Zeit auf eine erfundene Geschichte verschwenden? Eine Autorin ihres Formats müsse sich der Wahrheit verschreiben. Delphine ist entsetzt. L.s leidenschaftlich vorgetragene Forderung löst eine tiefe Verunsicherung in ihr aus. Bald kann sie weder Papier noch Stift in die Hand nehmen. L. scheint völlig unglücklich über das zu sein, was sie in der Freundin ausgelöst hat. Selbstlos übernimmt sie die Beantwortung von E-Mails, das Absagen von Lesungen und Interviews, das Vertrösten des Verlags, der auf einen neuen Roman wartet. Und all das in Delphines Namen. Keiner weiß davon, keiner kennt L., und so ist Delphine allein, als sie feststellt, dass L. ihr immer ähnlicher wird ...

 

Meine Meinung:

Im ersten Teil dieses Buches hatte ich echt Probleme, mich mit der Geschichte und der Erzählweise anzufreunden. Hätte ich es nicht im Rahmen einer Leserunde gelesen, hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, dass ich es abgebrochen hätte. Aber schließlich bin ich doch froh, dass Buch zu Ende gelesen zu haben.

Es ist recht anspruchsvoll geschrieben und hat viel franzsösisches Flair. Es geht größtenteils um die Schreibblockade einer französischen Schriftstellerin und ihre Auseinandersetzung damit. Sie lernt eine Frau namens L. kennen (den Namen erfahren wir nicht), mit der sie sich anfreundet und viele Diskussionen zum Thema Bücher und Schreiben führt und ob man mit dem Schreiben fiktiver Geschichten einem gewissen Anspruch gerecht wird oder ob man dazu über Reales schreiben muss. Diese Gespräche sind mir in den ersten beiden Abschnitten des Buches viel zu lang geraten, einiges wiederholt sich, L. hält sehr lange Monologe. Das hat mich echt etwas gernervt, weil kaum was anderes passiert. Auch die anderen Personen wie Delphines Kinder und ihr Freund bleiben recht blass und im Hintergrund.

Aber dann nach der ersten Hälfte nimmt die Sache Fahrt auf: L. dringt immer mehr in Delphines Leben, die allmählich in eine Depression gerät, nachdem auch noch ihre erwachsenen Kinder ausgezogen sind. L. geht anderen Personen aus Delphines Umfeld stets aus dem Weg, so dass sie sonst niemand kennt und es passieren einige merkwürdige Dinge. Und so beginnt der Leser (oder ich zumindest) alsbald anzuweifeln, ob diese L. wirklich existiert oder nur ein Phantasiegebilde von Delphine ist. Leidet sie unter einer Psychose? Ist es die Auseinandersetzung mit sich selbst, dass sie ihre Vorstellungen auf eine erfundene Frauenfigur projiziert? Oder denkt sie sich vielleicht eine Romanfigur für ihr nächstes Buch aus?

Die Autorin spielt hier mit Realität und Fiktion und das auf wirklich gelungene, intelligente Weise. Einerseits berichtet sie von der Auseinandersetzung mit diesen Themen als Schriftstellerin und gleichzeitig führt sie den Leser damit aufs Glatteis. Also irgendwie eine Geschichte mit doppeltem Boden! Noch dazu der Titel "Nach einer wahren Geschichte", obwohl es sich um einen Roman handelt. Es gibt viel zu spekulieren bei diesem Buch und auch noch danach. Denn eine richtige Auflösung findet nicht statt. Dafür hat es eine nachhaltige Wirkung.

Bei der Bewertung tue ich mich etwas schwer, es ist eine Mischung aus einer eher schlechten Note für den ziemlich anstrengenden und langatmigen Anfang und einer guten für den anderen Teil.

Ein Foto vom Buch gibt's unten im Kommentar.

Kommentare

UJac kommentierte am 14. September 2016 um 23:20

Da es hier kein Cover zum Buch gibt, anbei noch ein Foto davon :-)

wandagreen kommentierte am 15. September 2016 um 07:00

Du hast es prima rübergebracht. Mir war das alles zu sehr gejammert. Es wird ja keiner dazu gezwungen, Autor zu werden und sie hat wohl zwei intakte Hände! ;-).

UJac kommentierte am 15. September 2016 um 12:30

Danke Wanda. Ja, es wurde eindeutig zu viel lamentiert :-)