Rezension

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin - blieb leider emotionslos für mich!

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

Bewertet mit 2 Sternen

Lilly Lindners Schreibstil habe ich schon kennen und lieben gelernt. Umso gespannter war ich auf ihr erstes Jugendbuch! Was mich leider nicht so erreichen konnte, wie erwartet!

In der ersten Hälfte des Buches lernen wir die neunjährige Phobe kennen. Sie schreibt ihrer großen Schwester April, die in dieser Zeit schon in der fort ist, so oft sie kann Briefe. Briefe, die ihren Tagesablauf wiedergeben. Briefe, bei denen einfach drauflosgeplappert wird, was für mich authentisch und altersgerecht wiedergegeben war. Dagegen stehen die poetischen Gedanken und Beobachtungen zu kontrastreich gegenüber und haben die Protagonistin in meinen Augen verfälscht und unglaubwürdig gemacht.

Zudem ist es nur Phobe die Anfangs schreibt und so fragt man sich als Leser unweigerlich: Was ist mit April los? Warum schreibt sie nicht zurück? Kann sie nicht? Wäre das zu schmerzhaft für sie? Braucht sie erst mal die Distanz? Oder steckt etwas anderes dahinter?

"Und wenn ich verschwunden bin, wer sucht nach mir? 
Wenn alle die Augen verschließen.
Bin ich unsichtbar."
S.60

Bewußt lässt uns Lilly Lindner erst Phobe anhand der Briefe kennenlernen. Wir sehen ihr Stück der Welt, indem die ältere Schwester fehlt und dabei doch dazugehören sollte.

Und dann sind Aprils Briefe da. Eröffnen uns eine andere Sichtweise auf die Situation.

Meistens schwelgen beide Schwestern in Erinnerung, was geschickt einen Einblick in die Vergangenheit gewährt.
Was auffällt: Beide Schwestern kann man anhand des Schreibstils der Briefe nicht unterschieden, beide gleichen sich in meinen Augen zu sehr! 

Was mich an "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" sehr gestört hat, ist die Tatsache, dass keinerlei Gefühle beim Lesen geweckt wurden. Zumal ein ernstes Thema, nämlich Magersucht, in der Geschichte thematisiert wird.
Diverse Wiederholungen ala "Du fehlst"... "Wann kommst du wieder"... und "Ich vermisse dich so schrecklich"... zeigten zwar auf, wie die Protagonistin empfindet, jedoch ist diese Trauer oder auch der Schmerz hinter den Worten nicht angekommen. Selbst die Wut auf Ana, Aprils "neuer Freundin" blieb an den Zeilen kleben und übertrug sich nicht auf den Leser. So häufig in Gebrauch, dass die Worte abstumpften, an Wirkung verloren. Dafür waren die Folgesätze auch zu banal. Die Gefühle die vermittelt werden sollten, blieben aus. Die Distanz wuchs, Phobe büßte immer mehr an Glaubwürdig ein.
Doch nicht nur sie, sondern auch die Mutter der Beiden. Wenn man ihren beruflichen Hintergrund beachtet, sie ist Sozialpädagogin, will ihr Verhalten gegenüber ihren eigenen Töchtern so gar nicht reinpassen...

Keine Frage: Lilly Lindner kann schreiben. Man kann in ihr Wortreich eintauchen und dort Stunden verbringen. Doch dies Kombination mit dem Briefeschreiben und der jüngeren Schwester ist in meinen Augen fehlgeschlagen! Ich glaube auch, dass eine deutlich geringere Seitenzahl dem Buch gut getan hätte.