Rezension

Was für ein Debüt!

Blauer Hibiskus - Chimamanda Ngozi Adichie

Blauer Hibiskus
von Chimamanda Ngozi Adichie

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie gehört zu den Angesehensten in ihrer Gemeinde. Doch hinter der Fassade bröckelt es, der Vater ist von seinem Glauben völlig verblendet und lässt die eigene Wut gerne mal an der eigenen Familie aus. Auch im Land bröckelt es, die drohende Revolution macht sich zuerst an den Universitäten bemerkbar, wo Kambilis Tante sich plötzlich im Auge des Sturms wiederfindet.

Was für ein Debüt! Ich habe Adichies Erstlingswerk inzwischen mehrfach gelesen, und trotzdem nimmt es mich immer wieder mit. Die Geschichte wird aus Kambilis jugendlicher Sicht erzählt, trotzdem handelt es sich mitnichten um ein leichtes Jugendbuch. Der unglaubliche Druck durch den Vater, die ständige unterschwellige Angst vor seinem Zorn und die immer wiederkehrende Brutalität sind für den Leser nur schwer zu ertragen. Ebenso Kambilis zunächst hilflos blinder Gehorsam, ihr verquerer Glaube, den sie vom Vater eingeimpft (oder –geprügelt?) bekommen hat. Die Erzählweise ist ganz leise und sanft, was Gewalt und Brutalität noch mehr hervorstechen lässt. Nichts ist in diesem Buch nur schwarz oder weiß, nur gut oder böse. So ist der fanatische Haustyrann gleichzeitig jemand, der anderen unter die Arme greift oder eine der letzten Zeitungen des Landes herausgibt, in der überhaupt noch eine freie Meinungsäußerung stattfinden kann. Man kommt ins Grübeln beim Lesen, und das nicht nur einmal, so facettenreich ist die Geschichte, sind ihre Figuren. Kambilis Entwicklung kann einen als Leser nicht kaltlassen und so entwickelt die Handlung ihren ganz eigenen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Gekonnt lässt Adichie die tragische Familiengeschichte zudem mit den Geschehnissen im ganzen Land verschmelzen, sodass der Fokus auch immer wieder auf Putsch und Aufstand, auf staatlicher Macht und deren Auswirkung auf das gemeine Volk liegt. Durch die Verwendung vieler Begriffe auf Igbo (Glossar findet sich am Buchende) wird man noch mehr ins heiße Nigeria versetzt und hat am Ende der Geschichte nicht nur einen einfühlsamen und doch harten Roman gelesen, sondern auch noch etwas über Land und Leute gelernt. Ein toller Erstling!