Rezension

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Was für eine verschenkte Chance und was für verschwendete Lebenszeit!

Montecristo - Martin Suter

Montecristo
von Martin Suter

Bewertet mit 1 Sternen

Inhalt

Jonas Brand ist der Hauptcharakter von Martin Suters neuem Roman „Montecristo“. Zu Beginn arbeitet er als Videojournalist für eine Klatsch & Tratsch-Sendung, hegt aber seit längerer Zeit den Wunsch, einen Film zu produzieren, und wird schließlich in ganz andere Umstände hineingezogen. Laut Buchumschlag soll es sich hierbei um „das abgründige Szenario eines folgenreichen Finanzskandals“ handeln. Der Bezug zum Titel besteht insofern, als dass das Filmprojekt diesen Titel trägt und ein Abklatsch vom Grafen ähnlichen Namens in der heutigen Zeit sein soll.

 

Meinung

Es handelte sich hierbei um meinen ersten Suter, obwohl ich schon mehrere besitze. Seinen Schreibstil habe ich als angenehm und flüssig empfunden, was meiner Meinung nach jedoch dadurch aufrecht erhalten wird, dass gefühlte 98% des Buches mit wörtlicher Rede auskommen. Das ist zwar einerseits positiv für die Lesbarkeit, andererseits könnte es jedoch genauso gut ein Drehbuch sein und 1:1 so verfilmt werden.

 

Ein weiteres Manko war für mich die Konstruktion der Geschichte. Von Anfang an kam mir so ziemlich alles sehr verkrampft und gewollt vor. Manche Autoren schaffen es, Zufälle wie Zufälle aussehen zu lassen. Bei Montecristo hatte ich jedoch bei fast jedem neuen Detail direkt das Gefühl, dass es für bestimmte Dinge angelegt wurde, meistens sogar schon weit im Voraus, sodass für mich wenige, wenn nicht gar keine Aha-Effekte mehr aufgebaut werden konnten. Insgesamt fand ich vieles einfach nur durchschaubar und plump. Die Bekanntschaft mit der neuen Geliebten, die Witwe, die plötzlich doch noch an Selbstmord statt Mord glaubt, wieso Jonas Brand so urplötzlich nach Fernost geschickt wird. Es wirkte so abgekupfert und zusammen gewürfelt an vielen Stellen, dass ich schon bei Beginn des dritten Teiles einfach nur noch genervt war und fertig werden wollte.

 

(Achtung, Spoiler ab hier bis zum Fazit)

Das Ende jedoch war für mich dann der krönende Abschluss an Unglaubwürdigkeit, Plattheit und Überflüssigkeit. Der durchweg nicht nachvollziehbare, naive und dann doch wieder pseudo-rebellische Videojournalist, der doch so unzufrieden mit seiner Arbeit ist und vielleicht doch Enthüllungsjournalist werden will (oder nicht) – schlussendlich einsichtig, brav, macht seinen Film und vergibt seiner Amoureuse den Verrat an den ach-so-bösen Finanzmagnaten. BUH! Da kann ich wirklich nur noch den Kopf schütteln. Es waren also nicht nur die angeschnittenen Finanz-Themen oberflächlich („Keiner versteht Derivate“ – der Autor also scheinbar auch nicht?!), sondern auch noch so ziemlich jeder Charakter.

Das, was Suter aus seinem „Finanzskandal“ gemacht hat, hätte a) locker auf 100 Seiten weniger gepasst und b) seinen Namen nicht verdient. Skandale sind es meiner Meinung nach erst dann, wenn sie öffentlich gemacht werden, wenn sie Wellen schlagen, wenn weitreichende Konsequenzen angedeutet werden, die vielleicht nicht mal alle erläutert werden müssen.

Vielmehr vermittelt Suter: „Die Finanzwelt ist immer noch schlimm, aber da werden einfach die richtigen und unwichtigen geschmiert und alles geht weiter wie vorher“.

Wozu dann dieses Buch? Am Ende schütteln sich bei Sekt und Cocktails Hausfrauen, Journalisten, (Fernseh)Redakteure, Eventmanager, Auftragskiller und anderes illustres Volk die Hand und – alles rosa. Dafür brauche ich diese Lektüre nicht, da kann ich auch einfach weiter Tageszeitungen lesen, weil schließlich auch im wahren Leben Banker subjektiv nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen werden.

 

Fazit

Finger weg! 23,90 für schlechte Recherche, platte Story, unausstehliche Charaktere und konstruierte, vorhersehbare „Zufälle“. Ob das wohl dem Namen geschuldet ist? Des Verlages oder des Autors? Wirklich traurig, wenn man bedenkt, dass man bei Follett z.B. für 5-6 € mehr einen richtigen Schinken und vor allem gute Recherche bekommt. Und wirklichen Skandal für angepriesenen.

Kommentare

sphere kommentierte am 08. November 2015 um 21:20

Huh, so schlimm? Muss mir mal die anderen Rezis durchlesen.

Zissi kommentierte am 08. November 2015 um 22:06

Das kommt wohl ganz auf den eigenen Anspruch an, oder halt den, den man aufgrund des Klappentextes (berechtigterweise) haben kann.

Natürlich kann jedes Buch zu seichter Unterhaltungslektüre abgestempelt werden, nur nicht, wenn es als was ganz Tolles, Phänomenales, Abgründiges, Gewieftes angepriesen wird. Dann wirds von mir schonmal verrissen. ;-)