Rezension

Was wäre wenn?

Der Brief
von Carolin Hagebölling

Bewertet mit 4 Sternen

‚Der Brief‘ von Carolin Hagebölling spielt auf leicht mysteriöse Weise mit dem Thema ‚Was wäre wenn‘ und lässt zwei alternative Leben der Protagonistin Marie miteinander verschmelzen.

Wir alle stellen uns wohl immer mal wieder die Frage, was wäre gewesen, wenn wir an einem entscheidenden Punkt unseres Lebens eine andere Wahl getroffen hätten? Wenn wir uns für eine andere Stadt zum Studieren entschlossen hätten, wenn wir eine Beziehung aufgegeben hätten, statt ihr noch eine Chance zu geben, wenn wir eine zufällige Bekanntschaft nicht gemacht hätten, die heute der wichtigste Mensch in unserem Leben ist. 

Als Marie den Brief einer alten Schulfreundin in den Händen hält, zu der sie schon seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, und in dem diese Bezug auf ein Leben nimmt, das Marie gar nicht führt, ist erst die Verwirrung und dann die Verärgerung groß. Auch die Schulfreundin erhält ähnliche Briefe von – vermeintlich – Marie und irgendwie ist klar, dass man aktiv werden muss. Also macht Marie sich auf nach Paris und findet sich in einem Leben wieder, das so gar nicht ihres ist, über das sie aber alles weiß und das sich gleichsam ‚richtig‘ anfühlt. 

Sonst eine Verteidigerin der Logik, akzeptiere ich, dass man in diesem Buch mit logischen Erklärungen nicht weit kommt. Wie das gehen soll, dass man Briefe aus einem alternativen Leben bekommt, das kann man schlicht nicht erklären. Ich denke auch, es ist von der Autorin einfach als interessanter und spannender Aufhänger gedacht, der uns in die Geschichte einführen soll. Die Story lädt dazu ein, alternative Lebensentwürfe zu durchdenken und zeigt vor allem auf, dass es nicht ‚den einen‘ richtigen Partner oder Zeitpunkt gibt. Es gibt viele Arten, glücklich zu werden und alle hängen von den Menschen ab, die uns am nächsten stehen. Natürlich konkurrieren alle Alternativen miteinander und natürlich dürfen wir um die Dinge trauern, die in einem anderen Leben zu uns gehört hätten. Doch diese Trauer bremst uns nicht aus, sie bildet funkelnde Tränentropfen, die in der Dunkelheit leuchten, und wenn wir die Augen öffnen, nehmen wir das Leben, das wir führen, dankbar an und sind stärker.

Genug geschwärmt und (über)interpretiert. Das Buch liest sich locker an einem Nachmittag weg, die kurzen Kapitel ziehen einen zügig durchs Buch. Die Umschlaggestaltung gefällt mir ausnehmen gut und vor allem mag ich das Ankerzeichen am Anfang jedes Kapitels, das eine Kombination eines Ankers und des Eiffelturms ist. Vom Layout her alles richtig gemacht. Die Sprache ist angenehm, förmlich genug, um keinen Anstoß daran nehmen zu können, aber locker genug, um glaubhaft realistisch rüberzukommen. Kein Buch, dass eine logische Geschichte erzählt, aber eines, das mich fühlen macht.