Rezension

Wasserwesen und Geister der Vergangenheit

Böhmen ist der Ozean - Rhea Krcmárová

Böhmen ist der Ozean
von Rhea Krcmárová

Bewertet mit 5 Sternen

Wasserwesen aller Art, Nymphen, Wassermänner, Irrlichter, Flüsse, Meere, Fähren, alles Metapher für eine Reise durch Böhmen, geografisch, historisch, politisch. Sprachlich ausufernd, überbordend, bildhaft, voller Symbolik. Wir tauchen ein in eine Welt der Mythen, Gottheiten, Legenden und deren Gespenstern, aber auch der ganz realen Geistern der Vergangenheit.

Rhea Krcmarova, die selbst als Kind aus der damaligen Tschechoslowakei nach Österreich emigrierte, erzählt von der Suche nach Heimat, sprachlicher Identität, Wurzeln. Ihre Erzählstimmen sind durchwegs weiblich, aus der Sicht von 8 bis 80 jährigen, Kindern, Auswanderinnen, Dissidentinnen, lesen wir über die den Prager Frühling, Selbstverbrennungen, Verfolgungen, Emigration, der Sehnsucht nach dem Meer und dem Ort der Kindheit. Wasser und Feuer, widerstreitende Elemente, die wiederholt auftreten. Jede Erzählung ist für sich ein kleines Juwel und zusammen bilden sie eine wunderbare Einheit. Letztlich ist das Leben ein Fluss, „panta rhei“, alles fließt, Leben ist Wandel, selbst wenn wir an einen Ort zurückgespült werden, gleicht er nicht mehr dem, an den wir uns aus der Vergangenheit erinnern können.

Ich mochte das Geheimnisvolle, Tiefgründige an den Erzählungen, die sprachlich äußerst anspruchsvoll sind. Am meisten bewegt hat mich die Geschichte, in der eine Frau vergeblich gegen das Vergessen ankämpft, gegen nicht eingestandene Schuld, ohne die es kein Vergeben geben kann.

Neben all der literarischen Schönheit ist auch das Cover bemerkenswert, optisch und haptisch ein Genuss, ein Buch bei dem es sich lohnt, auch unter den Schutzumschlag zu schauen.