Rezension

Wechselvolle Geschichte einer indonesischen Zigarettendynastie

Das Zigarettenmädchen. Roman - Ratih Kumala

Das Zigarettenmädchen. Roman
von Ratih Kumala

Ein indonesischer Zigarettenbaron ruft auf dem Sterbebett immer wieder den gleichen Namen einer unbekannten Frau. Aus diesem Anlass begeben sich seine drei Söhne auf Spurensuche und forschen nach der Vergangenheit ihrer Familie, einer großen Zigarettendynastie. Die wechselvolle Geschichte Indonesiens seit dem 2. Weltkrieg wird dabei ausgebreitet, ebenso wie das Schicksal einzelner Protagonisten, die alle das eine verbindet: die Herstellung und der Vertrieb der ganz besonderen Nelkenzigaretten Indonesiens.

Die Handlung bewegt sich auf zwei Zeitebenen; die drei Brüder Tegar, Karim und Lembas suchen nach den Spuren einer Frau namens Yeng Yah in der Jetztzeit, während in Rückblenden das Leben eben dieser Frau ab Geburt nachgezeichnet wird. Zunächst ist nicht klar, warum Pak Raja, der Vater der drei Brüder, auf dem Sterbebett nach ihr verlangt und wie ihre Geschichte miteinander verknüpft ist. Aber nach und nach legt die Autorin alle wesentlichen Geschehnisse dieser verwickelten Familiengeschichte frei.

Dabei gibt es in beiden Strängen interessante Einblicke in die Geschichte Indonesiens, von der ich bis jetzt überhaupt nichts wusste. Von der Kolonialzeit über die Besetzung durch Holland, China und Japan über den Einfluss und das Schicksal des Kommunismus, dies alles war für mich Neuland. Trotzdem war ich froh, dass die Autorin diese Themen zwar wunderbar in die Handlung einflicht, aber keinen ausgeprägten Geschichtsunterricht erteilt. Dies wäre sicher zu Lasten der eigentlichen Geschichte gegangen, und wer das Thema vertiefen möchte, findet bestimmt genug Materialien dazu. 

Sehr intensiv dagegen und detailliert geht Ratih Kumala auf das Thema Zigaretten ein. Die Zigaretten sind in diesem Buch allgegenwärtig; es geht um ihre Herstellung, ihren Geschmack, ihre Verpackung, ihre Vermarktung und vieles mehr. Auch ich als Nichtraucherin konnte mich durchaus für das Thema begeistern lassen, vor allem weil die indonesischen Nelkenzigaretten ein ganz besonderes Genussmittel sind und das Leben der Protagonisten komplett bestimmen.

Während die Figuren der Rückblende noch dabei sind, sich ein kleines aber sicheres Auskommen durch die Zigarettenherstellung zu verschaffen und ihre Zigaretten noch per Hand herstellen, sind die drei Brüder der Jetztzeit bereits in dritter Generation Inhaber eines Zigarettenimperiums mit Fabriken und einem großen Namen. Die drei sind sehr interessante Figuren, da sie sehr unterschiedlich gezeichnet sind, und es immer wieder zu Reibungen zwischen ihnen kommt. Der leichtlebige Lebas und der verantwortungsbewusste Tegar haben mir mit ihren spritzigen, kontroversen Dialogen sehr viel Spaß gemacht; und Karim als Dritter im Bunde hatte meist die Aufgabe, ausgleichend auf die beiden anderen einzuwirken. Ihre Spurensuche gleicht einem Roadmovie durch die indonesischen Landschaften, immer auf der Spur der Zigaretten.

Die Antwort auf all ihre Fragen liegt aber in der Vergangenheit, und darin liegt auch der Hauptaugenmerk des Romans. Ich fand es sehr spannend, Idroes Moeria auf seinem Weg vom einfachen Arbeiter bis zum anerkannten Zigarettenproduzenten zu begleiten. Welche Rolle dabei seine Tochter Dasiyah spielt, warum sie "Zigarettenmädchen" genannt wird und was sie letztendlich mit der Familie Djagad zu tun hat, das wird hier nicht verraten.

Ratih Kumala hat auf vergleichsweise wenigen Seiten eine wunderbar verwickelte und ausgeklügelte Familiensage geschaffen, die sich durch den federleichten, eleganten Schreibstil sehr schön lesen lässt. Das außergewöhnliche Setting und das faszinierende Thema der Zigarettenherstellung verleihen der Geschichte eine würdigen Rahmen. Mir hat es sehr viel Freude gemacht, diesen besonderen Roman aus der Werkstatt der Culturbooks zu lesen; übrigens die erste Printausgabe dieses bislang rein auf ebooks ausgelegten Verlags. Mit dem indonesischen Glossar und einigen kurzen geschichtlichen Abrissen wird der Roman ergänzt und manche Unklarheit, insbesondere bei der Namensverwendung, ausgeräumt.