Rezension

Weitreichende Folgen des Krieges und ein unüberbrückbares Zerwürfnis

Anna und Armand - Miranda Richmond Mouillot

Anna und Armand
von Miranda Richmond Mouillot

Bewertet mit 5 Sternen

Anna Münster und Armand Jacoubovitch sind jüdischer Abstammung und haben sich Ende der Dreißigerjahre in Frankreich kennengelernt. Während des Zweiten Weltkriegs, haben sie in der Schweiz Zuflucht gefunden und so überlebt. Im Jahr 1948 kauften sie in einem kleinen Dorf in Frankreich ein altes Steinhaus, in dem sie jedoch nie gelebt haben. Fünf Jahre später verläßt Anna mit den beiden gemeinsamen Kindern Armand und übersiedelt in die USA. Für fast 50 Jahre haben die Eheleute (eine Scheidung wurde nie vollzogen) kein Wort mehr miteinander gewechselt, ja es war Armand sogar unmöglich, den Namen seiner Frau auszusprechen. Die Enkelin der beiden, Miranda, hat dieses Buch geschrieben, um die Lebensgeschichte ihrer Großeltern aufzuschreiben und so auch eine Klärung ihrer eigenen Wurzeln zu erwirken. Das schwierige Verhältnis der Großeltern hat sich auf die gesamt Familie ausgewirkt und zum Teil sehr seltsame Blüten getrieben.

Meine Meinung:
Miranda Richmond Mouillot ist ein großes und berührendes Buch gelungen. Sie ist nicht auf Effekthascherei aus, sondern erzählt sachlich, aus welchem Antrieb heraus sie die Lebensgeschichte ihrer Großeltern recherchiert hat und welche Probleme ihr dabei begenet sind. Allerdings nicht nur Probleme. Als sie in Frankreich recherchiert hat, hat sie ihren späteren Ehemann kennengelernt und ist dann von den USA nach Frankreich gezogen, wo sich der (Familien-)Kreis dann wieder geschlossen hat. Die Liebe ihrer Großeltern endete in Frankreich und die Enkelin hat ihre dort gefunden.

Für mich ist es sehr berührend zu lesen, wie sehr traumatische Ereignisse unterschwellig weitergegeben werden, so wie hier bei Miranda (und ggf. bei ihrer Mutter und ihrem Onkel, aber darüber erzählt sie nichts in ihrem Buch), die immer eine sehr enge Beziehung zu ihrer Großmutter hatte. So sagt sie selber:

"In unserer Familie regierte die Schwierigkeit: Streit und Bitterkeit, Krankheit und Verletzung, Trauma, schlimme Erinnerungen und verrückte Feindschaften. Erholsame Reisen zu wunderschönen Häusern auf dem Land hatten wir nicht im Repertoire."

Durch die Zeitzeugenberichte von Anna und Armand erhält das Buch aber auch noch eine andere Tiefe: die zu den Greueltaten des NS-Regimes im Zweiten Weltkrieg, zur Judenverfolgung, zu Flüchtlings- und Vernichtungslagern, dazu was es bedeutet, flüchten zu müssen um überleben zu können, welche Entbehrungen Menschen auf sich nehmen mussten und wie sie trotzdem einen Weg finden mussten, um weiterleben zu können.

Am meisten hat mich eine Stelle berührt, wo Anna und Armand ihre Flucht in die Schweiz schildern; über die "grüne Grenze", unter extremen Wetterbedingungen und der ständigen Gefahrt ausgesetzt, verraten oder entdeckt zu werden.

Ergänzt wird das Buch durch private Familienfotos, überwiegend von Anna und Armand. Sie geben dem Buch eine weitere Tiefe und noch persönlichere Note. Von Gesichtern läßt sich so vieles ablesen, wenn man offen dafür ist.

Mein Fazit:
Dieses Buch zeigt, dass es gut und richtig ist, Geheimnisse und persönliche Schrecken und großes Leid aufzuzeigen, damit sie aufgearbeitet werden können und das Leben wieder stattfinden kann. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie vergessen werden.
 

Buchdetails:

Erscheinungsdatum Erstausgabe : 14.03.2016
Aktuelle Ausgabe : 14.03.2016
Verlag : Limes
ISBN: 9783809026549
Fester Einband
Sprache: Deutsch
Preis: 19,99 €