Rezension

Weltreise mit vielen Sympathiepunkten

Die beste Entscheidung unseres Lebens
von Philipp Rusch Friederike Achilles

Bewertet mit 4 Sternen

Reisebücher liegen im Trend. Warum soll man nun ausgerechnet dieses lesen? Ein paar Gründe sprechen schon dafür. Zum Beispiel die liebevolle graphische Gestaltung (von der ich jetzt mal die Umschlag-Innenseiten ausnehme, auf denen zwar, hilfreich für den Leser, die ganze Reise auf zwei Weltkarten plastisch dargestellt ist, die aber stilistisch nicht recht zum graphischen Gesamtkonzept passen). Was noch? Nun, wir wollen mal sehen...

Die auf den beiden Innendeckeln skizzierte Weltreise beginnt in Kuba, führt dann durch Mittel- und Südamerika, dann gibt es einen kurzen Sprung in die USA, gefolgt von Indonesien, Thailand, Kambodscha, Nepal und Indien. 
Die Erzählung beginnt mit einer originelle Annäherung von hinten: Die beiden Reisenden kehren nach Deutschland zurück und - stehen in einem schönen, fremden Land. So hat man noch keine Beschreibung Deutschlands gelesen. Ich mag das. Ich mag auch, wie Philipp und Friederike berichten; sie wechseln sich mit den Kapiteln ab, hin und wieder wirft der Andere mal etwas kursiv gedrucktes dazwischen, eben ganz so, wie wenn gute Freunde von ihrer Reise berichten. 

Schon die anfänglichen Kuba-Kapitel sind recht aufschlussreich. Die beiden sind ja wohl in so ziemlich jede Touri-Falle getappt, die man sich ausdenken kann. Dies ist gleich ein echter Sympathiepunkt, denn das nette Autorenduo scheut vor keinen peinlichen Berichten über Begebenheiten zurück, die manch anderer Weltreisender vielleicht lieber stillschweigend unter den Teppich gekehrt hätte. Es gibt viele Stellen, an denen der Leser sich entspannt zurücklehnen und denken kann: na gut, dass ich den Fehler nicht auch machen muss, wenn ich einmal in das Land reise...

Am Ende mancher Kapitel gibt es kleine notizzettelähnliche Kästchen mit persönlichen Buch- oder Filmempfehlungen zu der bereisten Gegend. Mittendrin: Homo Faber von Max Frisch. Man liest Goethe am besten in Weimar, Kalisa in Berlin und Frisch - in Palenque. Vielleicht mache ich das auch irgendwann einmal: nach Palenque fahren und Homo Faber lesen. Obwohl, so miesepetrig möchte ich dann auch nicht durch die Ruinen latschen... Aber Philipp bekrabbelt sich schnell von seinem Homo-Faber-Trip und erzählt dann fröhlich weiter. 

Ich mag Friederikes Erzählstil. Sie ist immer nah dran am Geschehen. Mit Philipp musste ich erst ein bisschen warm werden. Seine Ergüsse sind mir anfangs manchmal ein bisschen zu spitzfindig, etwas zu viel fünfmal-um-die-Ecke-gedacht, vielleicht auch manchmal zu ironisch. Aber das verliert sich im Laufe des Buches. In der zweiten Hälfte erweist sich der Mann als ein begnadeter Autor. Sein Kapitel "Ganz weit unten: In den Silberminen von Potosí" ist mit Sicherheit eine beabsichtigte Anspielung auf Wallraffs "Ganz unten". Hier gewinnt das Buch, das bisher recht locker-flockig daherkam, deutlich an Format. Es zeigt einmal die andere Seite, die, die man als Tourist nicht so oft zu sehen bekommt. Dass die Menschen "ganz unten" nicht ausgeblendet werden, sondern hin und wieder eine kleine, aber würdevolle Rolle spielen, ist ein ganz großer Pluspunkt bei diesem Buch.

Die Stärke des Buches ist gleichzeitig auch eine gewisse Schwäche: das Persönliche, Menschliche, das, was es so lesenwert macht, bedingt natürlich auch, dass nicht alle Länderbesuche nach dem gleichen ausführlichen, begeisterten Prinzip behandelt werden können, dass bestimmte Berichte fragmentarisch bleiben müssen. Die Behandlung der Vereinigten Staaten beispielsweise erfolgt kurz und schmerzlos. Scheint nicht gerade das Lieblingsland der beiden gewesen zu sein... Das stellt sicher nicht jeden zufrieden. Aber dadurch ist die Lektüre auch nicht zu gleichförmig; man wird immer wieder überrascht. In jedem Fall hätte dieses Buch eher den Titel "Gebrauchsanweisung für die Welt" verdient als das völlig überflüssige gleichnamige Machwerk von Andreas Altmann. 

Sicherlich das unnötigste Kapitel ist "Die Typologie der Traveller". Von solchen wenigen Tiefpunkten abgesehen, ist das Buch wirklich lesenswert, spannend, witzig. Und geht manchmal überraschend mehr in die Tiefe, als man erwartet hätte. Beispiel Thailand. Ich finde Philipps Art, über dieses Land zu urteilen, sehr fair, lässt er doch nicht seinen Reisefrust hemmungslos an dem armen Land aus, sondern nähert sich ganz behutsam der Tatsache, dass sie mit diesem Stück Erde nicht so richtig warm geworden sind. Und am Ende versteht man auch voll und ganz, warum. Überhaupt zeigt sich in diesem Kapitel auch mal wieder die Stärke des Buches. "Man muss vorsichtig mit der Jagd nach Erlebnissen umgehen, denn schnell entwickelt sie sich zur Ratlosigkeit..." 

War es wirklich die beste Entscheidung ihres Lebens, auf Weltreise zu gehen? Wer weiß das schon. Aber in jedem Fall war es eine gute Entscheidung, dieses Buch zu lesen.
 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 20. November 2015 um 20:34

Interessante Rezension, die mir sofort Lust auf die Lektüre macht!