Rezension

Weniger Magie, dafür über weite Strecken viel Tempo

Das Labyrinth der Lichter - Carlos Ruiz Zafón

Das Labyrinth der Lichter
von Carlos Ruiz Zafón

Barcelona, 1959: Nach dem Verschwinden des Kultusministers Mauricio Valls soll die unkonventionelle Alicia Gris von der Politischen Polizei den Fall unter strengster Geheimhaltung untersuchen. Valls' Vergangenheit als Direktor des berüchtigten Montjuic-Gefängnisses scheint ein guter Ansatzpunkt und ein Buch aus der Serie "Das Labyrinth der Lichter", ein echtes Sammlerstück, führt Alicia auch zu den Kreisen um die Buchhandlung "Sempere & Söhne". Doch welche Verbindung könnte die Buchhändler-Familie, die Alicia noch aus Kindertagen persönlich kennt, zum Verschwinden von Valls haben? Und bringt Alicia mit ihren Untersuchungen alle in Gefahr?

Eine Kurzzusammenfassung des "Labyrinth der Lichter" mit seinen fast 950 Seiten ist nahezu unmöglich. Zafón entwirft ein eigenes Universum an Charakteren und Schauplätzen im dunkelsten Barcelona der Franco-Ära und gleichzeitig auch noch eine hochkomplexe Handlung. Nicht nur muss Alicia den Fall aufklären, mit dem sie betraut wurde, es wird ihr auch ein unliebsamer Partner zur Seite gestellt, mit dem sie sich hoch amüsante verbale Schlagabtäusche liefert, den man als Leser aber auch schnell ins Herz schließt. Doch die beiden bleiben nicht lange die einzigen, die sich für den Fall interessieren. Ein vorheriger Polizist wurde bereits mit dem Fall beauftragt und verschwand. Schnell fühlt sich auch Alicia beobachtet und bald hat sie rätselhafte Feinde an den Fersen. Unterstützt wird sie jedoch von einer sympathischen Mischung an Nebenfiguren, die sowohl für Spannung als auch für Humor und auch die ein oder andere skurrile Situation sorgen. Aber gerade die Semperes haben auch ihre eigenen Familiengeheimnisse, die es zu lüften gilt. Diese Familie, die ich aus den ersten beiden Bänden sympathischer in Erinnerung hatte, wirkt hier etwas undurchschaubar und distanziert.

Noch vor Beginn der Geschichte gibt der Autor ein deutliches Statement ab, dass "Das Labyrinth der Lichter" zwar der vierte (und letzte) Band der Serie um den Friedhof der vergessenen Bücher ist, jedes Buch aber eigenständig und von der Reihenfolge unabhängig lesbar ist. Dem würde ich bedingt zustimmen, da es mit fortschreitender Geschichte ein immer komplexeres Netz aus Verwicklungen gibt und man im Vorteil ist, wenn man die Figuren bereits aus früheren Büchern kennt, sonst wird das Figurengeflecht etwas unübersichtlich. Die Verbindungen zu den vorherigen Bänden lassen sich dann auch besser würdigen. Andererseits macht das Buch aber auch ebenso neugierig auf die Vorgängerbände, wenn man diesen Band mochte.

Die Grundstimmung des Buches empfand ich eher als düster, was nicht wenig der historischen Einordnung in die Franco-Diktatur geschuldet sein dürfte, unter der unliebsame Personen verschwanden oder gleich getötet wurden. Und so wird auch diesem Buch nicht zimperlich umgegangen. Es wird gemordet und gefoltert und diese Szenen sind nichts für sanfte Gemüter, auch wenn routinierte Thriller-Leser wesentlich Schlimmeres gewohnt sein dürften.

Die Seitenzahl des Buches kommt sicherlich auch nicht zuletzt dadurch zustande, dass der Autor einen eher ausschweifenden, anspruchsvollen, vor Beschreibungen und Metaphern strotzenden Stil hat. Mir hat das gut gefallen. Die Szenerie wird plastisch und die meisten Beschreibungen sehr ansprechend. Einzig der alte Haudegen Fermín treibt es mit seinen verschwurbelten Dialogen für mich ein wenig zu sehr auf die Spitze, weil er in jeder Lebens- und Lebensgefahrenlage einen flotten Spruch auf den Lippen hat, was manchmal nicht ganz realistisch wirkt und in Situationen, in denen man knappe präzise Antworten erwartete, schon einmal nerven konnte.

"Das Labyrinth der Lichter" vollendet nun die Serie um den Friedhof der vergessenen Bücher und so rundet das Buch auch die Serie etwas ausführlicher ab und verbindet noch verbliebene lose Fäden. Für meinen Geschmack war dies etwas zu ausschweifig. Das mitunter zwischenzeitliche hohe Tempo fehlt am Ende völlig und es wirkt ein wenig zäh. Zudem kommt der Friedhof der vergessenen Bücher weniger in der Haupthandlung und dafür fast ausschließlich in der Rahmenhandlung vor, sodass beide nicht ganz zueinander zu passen scheinen. Zudem hätte ich mir noch ein wenig mehr der allseits angepriesenen Buchmagie gewünscht.

Insgesamt habe ich nicht ganz bekommen, was ich erwartet habe. Und trotzdem habe ich Zafón bekommen, wie ich ihn schon aus anderen Büchern kenne. Es war weniger Magie als gedacht, dafür mehr Düsternis, ein dunkles Barcelona und über weite Strecken sehr viel Spannung.